Nowotny heizt Griechen-Streit an

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Nationalbank-Chef Ewald Nowotny sorgt mit einem TV-Interview zu Griechenland weltweit für Schlagzeilen. Er soll sich für eine Umschuldung Griechenlands ausgesprochen haben.Stunden später muss er beruhigen.

Wien. Wer sich über das Geschehen an den Finanzmärkten informieren will, kommt am amerikanischen Wirtschaftskanal CNBC kaum vorbei. Der TV-Sender läuft in den Handelsräumen vieler Großbanken und erreicht nach eigenen Angaben 390 Millionen Zuseher weltweit. In der Nacht auf Dienstag wurde ein Interview mit Ewald Nowotny, Chef der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), ausgestrahlt und die vermeintliche Sensation war perfekt. Laut Agenturberichten soll sich Nowotny auf CNBC als erstes Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB) für eine Umschuldung Griechenlands ausgesprochen haben.

Das wäre in der Tat ein Knaller. Denn EZB-Präsident Jean-Claude Trichet lehnt bislang jede Form eines Zahlungsausfalls Griechenlands ab. Auch am Dienstag stellte Trichet in Interviews mit mehreren europäischen Zeitungen fest, dass er nicht daran denke, seine Haltung zu ändern. Aufgrund von Nowotnys Aussagen titelten Medien weltweit, die EZB-Front gegen eine Umschuldung Griechenlands würde bröckeln.

Dementi zu EZB-Machtkampf

Dies sorgte an den Finanzmärkten für Spekulationen: Tobt in der EZB ein Machtkampf? Oder brechen jetzt alle Dämme und steht eine Teilentschuldung Griechenlands unmittelbar bevor? Schon der Zeitpunkt für Nowotnys Auftritt war in höchstem Maß brisant. Am Donnerstag treffen sich die Staats- und Regierungschefs der Eurozone in Brüssel zu einem Krisengipfel. um einen Ausweg aus der Schuldenkrise zu finden.

Stunden nach dem Interview versuchte Nowotny, die Wirkung seiner Worte einzufangen. In einer Presseaussendung erklärte der OeNB-Chef, er „stehe in voller Übereinstimmung“ mit Trichet. In Frankfurter Finanzkreisen war zu hören, der Auftritt bei CNBC sei nicht mit der EZB abgestimmt gewesen. Der OeNB-Chef soll dort seine private Meinung wiedergegeben haben. In Wien heißt es, einige Medien seien mit der Interpretation zu weit gegangen. Einen Konflikt mit Trichet gebe es nicht.

Tatsächlich erklärte Nowotny in dem Interview, ein teilweiser Zahlungsausfall Griechenlands müsse nicht zwingend schwere negative Folgen haben. Es gebe einige Vorschläge, die einen sehr kurzlebigen teilweisen Zahlungsausfall beinhalteten, die nicht wirklich erhebliche negative Konsequenzen hätten.

Es gebe viele Möglichkeiten, von einem klaren Zahlungsausfall bis zu einem teilweisen Zahlungsausfall. Dies müsse ernsthaft diskutiert werden. Nowotny unterstrich aber auch, dass ein vollständiger Zahlungsausfall Griechenlands vermieden werden müsse.

Der Konflikt um die Interpretation von Nowotnys Aussagen legt das Dilemma der EZB offen. Immer mehr Ökonomen und Politiker verlangen einen Schuldenerlass Griechenlands. Doch die EZB legt sich dagegen quer. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Die Zentralbank ist mittlerweile zum größten Gläubiger Griechenlands aufgestiegen.


Findet die EZB einen Ausweg?
Die EZB kaufte im Vorjahr griechische Anleihen im Volumen von 50 bis 60 Mrd. Euro. Die genaue Zahl gibt sie nicht bekannt. Allerdings liegt das Grundkapital des Instituts nur bei 10,8 Mrd. Euro. Bei einer Pleite Griechenlands müsste die Zentralbank höchstwahrscheinlich Kapitalmaßnahmen durchführen. Dies würde den Mitgliedern der Währungsunion – und damit auch Österreich – vermutlich Milliarden kosten. Zusätzlich zu den 50 bis 60 Mrd. Euro hält die EZB noch weitere griechische Staatsanleihen, die Geschäftsbanken als Sicherheit für EZB-Kredite hinterlegt haben. Laut Trichet könnte die EZB im Falle eines Zahlungsausfalls Griechenlands solche Anleihen nicht mehr akzeptieren. Das wäre aber eine Katastrophe für griechische Banken, die auf den Finanzmärkten kaum noch Geld erhalten und auf die EZB angewiesen sind.

Nowotny meint dagegen, dass die Währungshüter ihre Entscheidungen nicht vom Urteil der Ratingagenturen abhängig machen dürfen. Er verwies darauf, dass die Zentralbank griechische und portugiesische Staatsanleihen gegenwärtig unabhängig von deren Rating annimmt. Grundsätzlich könnte die EZB diese Praxis auch dann fortsetzen, wenn Griechenland kurzzeitig für zahlungsunfähig erklärt werden sollte.

Mehr zum EU-Gipfel Seite 3

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2011)

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