Felderer: „Griechenland-Rettung wird viel kosten“

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Zahlungsausfall „eines kleineren Landes“ in der EU könne verschmerzt werden, meint IHS-Chef Felderer. Dennoch plädiert er für eine Schuldenstreckung, da diese den Helfern geringere Kosten verursachen würde.

Wien/Jaz. Die Schuldenkrise von Griechenland und anderen Anrainerstaaten des Mittelmeeres ist zur Zeit das bestimmende Thema in Europa. So war es auch kein Wunder, dass sie die Präsentation der mittelfristigen Konjunkturprognose für Österreich des IHS am Dienstag dominierte. „Die Hilfe für Griechenland wird auf jeden Fall viel kosten“, sagte IHS-Chef Bernhard Felderer zu den möglichen Szenarien. „Die Frage ist daher: Was kostet weniger? Wir glauben, dass die Streckung der Schulden am sinnvollsten ist.“

Durchaus denkbar sei jedoch auch ein kontrollierter teilweiser Zahlungsausfall. „Den Ausfall eines kleineren Landes würden wir überstehen“, so Felderer. Keinesfalls dürfe es jedoch einen unkontrollierten Zusammenbruch von Griechenland geben. Denn dann müssten die anderen EU-Länder erst recht wieder helfen – zu noch höheren Kosten. „Spätestens dann, wenn der erste griechische Hungertote auf den Titelseiten zu sehen ist“, so der Ökonom.

Grundsätzlich bereitet die Eurokrise dem IHS-Chef aber keine übertriebenen Sorgen. Die vorhandenen Probleme seien durchaus bewältigbar. Das größte Gefahrenpotenzial liegt laut Felderer im Finanzministerium von Rom. „Italien ist ein viel größeres Problem als etwa Spanien.“ Denn in unserem südlichen Nachbarland müsse die Staatsverschuldung endlich unter Kontrolle gebracht werden.

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„Spanien spart bereits“

„Spanien hat bereits einen sehr nachhaltigen Sparkurs eingeschlagen“, so Felderer. In Italien fehle das noch. Die Märkte würden nun auf ein entsprechendes Signal warten. Beruhigend sei, dass die italienischen Banken laut jüngstem Stresstest „überraschend stark“ mit Eigenkapital versorgt sind.

Mit der fehlenden politischen Durchsetzungskraft von Sparvorhaben erklärt Felderer auch, warum Ratingagenturen und Finanzmärkte etwa den USA trotz ebenfalls ausufernder Schulden immer noch mehr vertrauen als vielen europäischen Ländern. „Die USA haben in der Vergangenheit schon oft gezeigt, dass sie, wenn es drauf ankommt, harte Sparmaßnahmen und Reformen umsetzen“, so Felderer. Ein Beispiel dafür sei etwa US-Präsident Ronald Reagan, der 1981 rund 12.000 gegen ein Sparprogramm streikende US-Fluglotsen einfach entließ und durch Militärlotsen ersetzte. So etwas sei in Europa aufgrund der starken Gewerkschaften undenkbar, meint Felderer.

Sparmaßnahmen fordert Felderer, der gleichzeitig Präsident des Staatsschuldenausschusses ist, auch neuerlich für Österreich. „Es ist leichtsinnig, in wirtschaftlich guten Jahren mit so hohen Verschuldungsquoten weiter zu machen. Bei der nächsten Krise könnte es dann sein, dass wir das zur Krisenbekämpfung benötigte Geld nicht mehr so leicht auf den Finanzmärkten erhalten.“ Das Ziel müsse daher sein, die Staatsverschuldung von derzeit über 70 Prozent des BIP auf „deutlich unter“ 60 Prozent zu bringen.

IHS erwartet keine hohe Inflation

Keine sinnvolle Methode für den Staat, die Schulden abzubauen, ist laut Felderer eine hohe Inflation. „Wenn dies als politisches Ziel an den Finanzmärkten erkannt wird, müssen auch die Zinsen für neue Anleihen entsprechend angehoben werden.“ Das IHS rechnet in seiner Mittelfristprognose bis 2015 daher mit durchschnittlich 2,2 Prozent Inflation.

Das Wirtschaftswachstum wird in diesem Zeitraum im Schnitt ebenfalls 2,2 Prozent betragen. Treiber ist laut IHS weiterhin der Export. Aufgrund der nicht mehr so stark steigenden Menge an Arbeitnehmern, wird bei steigender Beschäftigung die Arbeitslosenquote leicht auf 4,2 Prozent sinken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2011)

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