Eurobonds: Heilmittel für die Eurozone oder Freibrief zum Schuldenmachen?

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Symbolbild(c) EPA (TOBIAS KLEINSCHMIDT)
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Die Griechenland-Hilfe bringt die umstrittenen gemeinsamen Anleihen de facto durch die Hintertür. Druck des Finanzmarktes auf die Länder soll genomment werden. Hauptargument der Gegner sind die höheren Kosten.

Wien. Eurobonds sind endgültig vom Tisch, sagte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy im März. Damals galt jedoch auch ein offizieller Zahlungsausfall von Griechenland noch als „ausgeschlossen“. Und so standen die europäischen Anleihen in den vergangenen Tagen wieder am politischen Tapet. Während dabei etwa Italiens Finanzminister Giulio Tremonti erneut die Werbetrommel für Eurobonds rührte, gilt die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel weiterhin als wichtigste Gegnerin ihrer Einführung.

Das grundsätzliche Konzept der Eurobonds ist schnell erklärt. Derzeit finanzieren alle Euroländer ihre Staatsschulden selbstständig durch die Ausgabe von Staatsanleihen. Da das Risiko der einzelnen Länder unterschiedlich eingestuft wird, müssen die Staaten auch verschieden hohe Zinsen zahlen. Als Benchmark – mit den günstigsten Zinsen – gilt dabei Deutschland. Länder wie Spanien oder Italien müssen bereits deutlich höhere Zinsen zahlen. Und Griechenland, Portugal sowie Irland haben am Kapitalmarkt derzeit so wenig Vertrauen, dass sie überhaupt kein Geld mehr erhalten – sie mussten unter den EU-Rettungsschirm.

Alle für einen, einer für alle

Eurobonds sollen nun den einzelnen Staaten ermöglichen, Anleihen zu begeben, für die von allen Eurostaaten solidarisch gehaftet wird. Dadurch soll der Druck des Finanzmarktes auf einzelne Länder genommen und „Spekulationen gegen diese Länder“ verhindert werden, sagen die Befürworter. Sie erwarten, dass durch die gemeinsamen Anleihen die derzeitige Krise beendet werden kann. Doch auch die Befürworter wollen in der Regel nicht, dass die anderen Staaten ohne Limit für die Schulden eines Landes haften müssen.

So haben Ökonomen der SPD-nahen Friedrich Ebert Stiftung etwa folgendes häufig genanntes Konzept in einem aktuellen Positionspapier ausgearbeitet: Die Eurostaaten sollen für ihre Schulden bis zur Maastricht-Grenze von 60Prozent des BIPs Eurobonds begeben dürfen. Aufgrund der kollektiven Haftung hätten diese Anleihen ein besonders niedriges Risiko und daher auch niedrige Zinsen. Zudem würde die Liquidität beim Handel mit Euroanleihen erhöht, da ein Anleihen-Pool von fünf bis sechs Billionen Euro entstünde. Dies könnte die Zinskosten für die Staaten neuerlich senken.

Alle Schulden, die über die Grenze von 60Prozent des BIPs hinausgehen, müssten von den Staaten weiter selbst begeben werden. Diese Anleihen sollen den Eurobonds gegenüber nachrangig gestellt werden und nur bis zu einem begrenzten Maß von Banken gezeichnet werden dürfen. So soll ermöglicht werden, dass im Fall einer Staatspleite ein Schuldenschnitt ohne Gefahr eines Domino-Effekts vollzogen werden kann.

„Österreich würde Triple-A verlieren“

Das Hauptargument der Eurobond-Gegner sind die höheren Kosten, die sie für jene Länder bringen würden, die ihre Finanzen bisher besser im Griff hatten. „Österreich würde bei jenen Anleihen, die es dann auf eigene Rechnung aufnehmen muss, mit Sicherheit kein Triple-A mehr haben“, heißt es dazu aus dem Finanzministerium. Die zurzeit noch hohe Bonität würde für die Solidarhaftung mit den anderen Ländern quasi „aufgebraucht“ werden. Wie hoch die Mehrkosten bei den Zinszahlungen wären, hat man hierzulande bislang noch nicht berechnet. Für den rund zehnmal so großen Schuldenberg Deutschlands werden jedoch Zusatzkosten in Höhe von 17 Milliarden Euro erwartet. Jene sechs Eurostaaten, die zurzeit noch über das Höchstrating verfügen, sind daher weitgehend gegen die Einführung der Gemeinschaftsanleihe.

Ein weiterer Kritikpunkt der Eurobond-Gegner ist, dass er den Reformdruck von den mediterranen Schuldenländern nehmen könnte. „Das wäre fatal“, meint dazu IHS-Chef Bernhard Felderer. Nur wenn jedes Land selbst für seine Schulden einsteht, kann es zumindest ein Mindestmaß an Budgetdisziplin geben. Allerdings seien durch das Griechenland-Hilfspaket Eurobonds in abgeschwächter Form ohnehin schon durch die Hintertür eingeführt worden. „Die Rückzahlungsdauer wird gestreckt und der Zinssatz wird gesenkt. All das ist nur durch die Haftung von Ländern mit hoher Bonität möglich. Das ist nicht viel anders als ein Eurobond“, so Felderer.

Die jetzige Lösung ist jedoch noch in ihrem Ausmaß und ihrer Dauer beschränkt. Bei wirklichen Eurobonds wäre das nicht mehr so. Die Euroanleihe wäre daher nur als allerletzte Notmaßnahme denkbar, heißt es im Finanzministerium.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2011)

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