Russlands größter Bankenkrimi

Russlands groesster Bankenkrimi
Russlands groesster Bankenkrimi(c) REUTERS (DENIS SINYAKOV)
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Die Bank of Moscow muss mit staatlichen Milliarden aufgefangen werden. Die Rettung wirft ebenso viele Fragen auf wie die Retter und Schuldner selbst.

Moskau. Während Europa mit den Schulden beschäftigt ist, geht in Russland die größte Bankenrettung der Geschichte Osteuropas vor sich. Der Staat, der sich rühmt, den Absturz des Bankensystems zu Beginn der Krise verhindert zu haben, muss im Jahr drei der Krise das fünftgrößte Institut des Landes vor dem Absturz bewahren: die „Bank of Moscow“. Wie die Zentralbank mitgeteilt hat, muss der Bank mit 395 Mrd. Rubel (9,8 Mrd. Euro) unter die Arme gegriffen werden.

Drei Viertel davon werden von der Zentralbank durch Anwerfen der Notenpresse finanziert, sobald die staatliche und zweitgrößte Bank des Landes, VTB, die mit der feindlichen Übernahme der Bank of Moskau im Frühjahr begonnen hat, 75 Prozent an ihr gesammelt haben werde. Die VTB nimmt dafür etwa 3,13 Mrd. Euro in die Hand. Während der Amtszeit des Moskauer Bürgermeisters Juri Luschkow hatte die Bank of Moscow als Hofgeldinstitut gedient. Als der Bürgermeister im Vorjahr vom Kreml geschasst wurde, war sie plötzlich schutzlos. Alsbald wurden Begehrlichkeiten der VTB sichtbar, die Bank of Moscow zu übernehmen.

Milliardenschwere faule Kredite

Dass die Bank of Moscow freilich eine riesige Finanzlücke vertuscht hatte, war erst im Zuge der feindlichen Übernahme zutage getreten. Knapp ein Drittel der Verbindlichkeiten werden als faule Kredite eingestuft. Laut Zentralbank beläuft sich das Finanzloch auf 5,3 Mrd. Euro. Die Kredite seien vielfach zur Finanzierung von Immobilienprojekten des früheren Bankenchefs Andrej Borodin vergeben worden.

Den Umstand, dass ein derartiges Finanzloch hatte vertuscht werden können, erklärte Finanzminister Alexej Kudrin mit der Macht des Bürgermeisters: Die Stadt habe als Hauptaktionär „die Bank völlig unter die persönliche Kontrolle von Borodin gestellt und ihn von einer normalen Kontrolle abgeschirmt“. Borodin selbst suchte zu Jahresbeginn, nachdem sich die politischen Verhältnisse in Moskau gewandelt hatten, sein Heil in der Flucht nach London. Nach ihm wird mit einem internationalen Haftbefehl gefahndet. Die VTB kaufte in weiterer Folge der Stadt Moskau ihren Anteil an der Bank of Moscow von gut 46 Prozent ab und übernahm indirekt weitere Anteile.

Der Staat greift nach der Kontrolle

Der Krimi hat noch einen anderen Strang. Dafür, dass die Spur der Bank of Moscow selbst bis in den Westen führt, sorgt der junge Aufsteiger Vitali Jussufow. Er hat im März noch von Borodin, der sich im Abwehrkampf gegen die Übernahme durch die VTB befunden hat, einen Kredit für 1,13 Mrd. Dollar erhalten. Und mit diesem Kredit kaufte dann Jussufow 26,77 Prozent Anteile an ebendieser Bank.

Laut der Zeitung „Kommersant“ hat die Zentralbank bei ihrer Prüfung auch eruiert, dass die Bank gerade beim Kredit für Jussufow die Vergaberichtlinien verletzt und nicht ausreichend Rücklagen gebildet habe. In jedem Fall soll Jussufow im Interesse der VTB agiert haben. Soll heißen, Jussufows Anteil dient der VTB künftig zur Konsolidierung der nötigen 75 Prozent. Am Zwischenhandel verdient Jussufow.

Darin, dass die VTB die Bank of Moscow schon vor Bekanntwerden des Finanzlochs zu übernehmen begonnen hat, sehen Experten die anhaltende Tendenz des Staates bestätigt, einzelne Wirtschaftssektoren noch stärker zu kontrollieren. Im Bankensektor kontrolliert die VTB gemeinsam mit der staatlichen Sberbank 42 Prozent der landesweiten Bilanzsumme. Die Probleme mit der Bank of Moscow stimmen Analysten für die VTB pessimistisch. S&P sowie Moody's haben den Ausblick für das Rating der VTB auf „Negativ“ gestuft.

Auf einen Blick

Die Bank of Moscow muss derzeit mit milliardenschweren staatlichen Hilfen gerettet werden. Schon bevor die riesigen Finanzlöcher bei der Bank bekannt waren, hatte die staatliche Bank VTB mit der feindlichen Übernahme der Bank of Moscow begonnen.

Experten werten das als Indiz dafür, dass die Regierung versucht, einzelne Wirtschaftssektoren mehr und mehr unter staatliche Kontrolle zu bringen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2011)

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