EU-Schuldenkrise: Deutsche Bank misstraut Italien

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Das deutsche Institut glaubt nicht an ein baldiges Ende der Schuldenkrise. Es hat einen Gutteil seiner italienischen Staatsanleihen abgestoßen. Analysten warnen vor einer neuerlichen Panik an den Märkten.

Wien. Die Finanzindustrie hegt erhebliche Zweifel daran, dass die europäische Schuldenkrise gelöst ist. Vielmehr wird befürchtet, dass auch Italien bald voll erfasst wird. Dieser Schluss ist zulässig, wenn man die Halbjahresbilanz des größten deutschen Finanzinstituts als Indiz gelten lässt. Die Deutsche Bank hat ihre Kreditvergabe an Italien im ersten Halbjahr 2011 erheblich reduziert - von mehr als acht Mrd. Euro auf 997 Mio. Euro.

Die Sorge um den Euro ist auch der Grund, warum das Unternehmen sein Ziel für das Gesamtjahr verpassen könnte. Bislang erhoffte sich die Bank einen Vorsteuergewinn von zehn Mrd. Euro. In den ersten sechs Monaten verdiente das Institut vor Steuern 5,5 Mrd. Euro und liegt damit im Plan. Doch sei die Vorgabe von zehn Mrd. Euro „nur schwer zu erfüllen", sagte der scheidende Firmenchef, Josef Ackermann. Vieles hänge „von einer reibungslosen und nachhaltigen Lösung der europäischen Schuldenkrise ab".

Andere Banken könnten folgen

In den am schwersten von der Krise betroffenen Staaten - Griechenland, Italien, Irland, Portugal und Spanien - hat das Geldhaus sein Engagement um zwei Drittel auf 3,7 Mrd. Euro zurückgefahren. Der Grund: „Gezielte Maßnahmen zur Risikoreduzierung", wie im Halbjahresbericht zu lesen ist.
Für zehnjährige Staatsanleihen muss Italien mittlerweile 5,7 Prozent Zinsen pro Jahr bezahlen - vor zwei Wochen lag der Wert noch bei 5,4 Prozent. Zum Vergleich: Die deutlich sichereren deutschen Anleihen werfen momentan 2,7 Prozent pro Jahr ab, österreichische knapp unter 3,3.
Die Sorge um Italien erreichte vor zwei Wochen einen vorläufigen Höhepunkt, als die Aktienmärkte abgestürzt waren. Seitdem hat sich die Lage zwar etwas beruhigt. Allerdings warnen Analysten bereits vor einer neuerlichen Panik an den Märkten in den kommenden Wochen. Und zwar dann, wenn die beiden größten europäischen Banken, die britische HSBC sowie die spanische Santander, ihre Halbjahresbilanzen vorlegen. Sollte sich zeigen, dass auch sie italienische Anleihen im großen Stil abgestoßen haben, könnten andere Investoren folgen.

Als drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone ist Italien der größte Problemfall der EU. Der Schuldenstand liegt bei 120 Prozent der Wirtschaftsleistung oder 1850 Mrd. Euro. Der Verschuldungsgrad ist zwar schon länger konstant hoch, verschärfen würde sich die Lage für den Staatshaushalt allerdings bei stark steigenden Zinsen. Sollten Investoren das Vertrauen in italienische Staatsanleihen ganz verlieren, drohte Italien ein griechisches Schicksal - mit verheerenden Folgen für die ganze Eurozone.

Österreichs Banken haben in Italien laut im Juni veröffentlichten Zahlen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich Außenstände von 16,5 Mrd. Euro. Nicht in dieser Zahl enthalten sind die Forderungen der Bank Austria. Deren Mutter, die italienische Unicredit, hält italienische Staatsanleihen in Höhe von 35 Mrd. Euro, bei einer Bilanzsumme von 910 Mrd. Euro.
Ob sich auch Österreichs große Institute in den vergangenen Wochen in ähnlichem Umfang wie die Deutsche Bank von italienischen Staatsanleihen getrennt haben, ist unklar. Dem Vernehmen nach dürften sie nach wie vor relativ stark in Italien engagiert sein. Die exakten Zahlen geben die Institute in den kommenden Tagen im Zuge der Halbjahresbilanzen bekannt.

Ackermann wird Aufsichtsrat

Die Deutsche Bank hat im Zuge der Bilanzpräsentation auch die künftige Führung vorgestellt. Ackermann wird im Mai 2012 vom Leiter des Investmentbankings, dem Inder Anshu Jain, sowie vom Deutschen Jürgen Fitschen abgelöst. Ein zwei Jahre dauernder Machtkampf bei der Bank findet damit ein vorläufiges Ende. Ackermann selbst wird den Aufsichtsrat führen - eine Entscheidung, die nicht nur in Deutschland für Diskussionen sorgt. Bis zuletzt hatte der Firmenchef einen fliegenden Wechsel in den Aufsichtsrat ausgeschlossen.

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