109 Milliarden Euro für eine Woche Ruhe

(c) Erwin Wodicka
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Die Ruhe an den Kapitalmärkten währte nur kurz: Für italienische, spanische und portugiesische Staatsanleihen fordern Geldgeber so hohe Risikoaufschläge wie vor dem jüngsten EU-Gipfel.

Wien. Eine innige Liebesbeziehung wird das Verhältnis zwischen Politikern und Märkten wohl nicht mehr werden: Keine Woche nach der gefeierten Entschärfung der europäischen Schuldenkrise sind spanische, portugiesische und italienische Staatsanleihen wieder so teuer wie im Vorfeld des Gipfels vom vergangenen Donnerstag. Europas Staatenlenker haben sich mit dem 109Milliarden Euro schweren Rettungspaket für Griechenland also bestenfalls ein paar Tage Ruhe erkauft.

Dieser Befund lässt sich auch an den Währungs- und Rohstoffmärkten ablesen: Nach kurzer Rast haben die Anleger die Flucht aus Euro-Schuldenstaaten wieder aufgenommen. Ziel sind „sichere Häfen“ wie Schweizer Franken und Gold. Während die eidgenössische Wirtschaft der neuerlichen Aufwertung des Franken mit Ratlosigkeit begegnet, hadert die europäische Politik neuerlich mit „Spekulanten“ und „amerikanischen Ratingagenturen“, die unter Verdacht stehen, Europa zu negativ zu beurteilen.

Nach den jüngsten Turbulenzen an den Kapitalmärkten ist in Europa auch wieder vermehrt von wachsenden „Ansteckungsgefahren“ die Rede. So, als grassierte ein mysteriöses Virus, das wahllos „unschuldige Opfer“ befalle. Dabei handelt es sich um die üblichen Verdächtigen: Während Griechenland für zehn Jahre vom Kapitalmarkt genommen wurde, verteuern sich nun die Finanzierungskosten für Italien, Spanien und Portugal.

Italien hat sich erst gestern, Donnerstag, acht Milliarden Euro an frischem Geld besorgt. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone hatte zwar keine Probleme damit, genügend Geldgeber aufzutreiben. Allerdings bestehen diese auf einer höheren Risikoprämie: Rom muss den Anlegern für zehnjährige Staatsanleihen Renditen von 5,79 Prozent bieten. Ende Juni waren es noch 4,98.


Wachsender Geldbedarf. Ein Teil der höheren Aufschläge bei italienischen Staatsanleihen mag auf Gerüchte über den bevorstehenden Rücktritt von Finanzminister Giulio Tremonti zurückzuführen sein. Warum aber die Ruhe an den Märkten generell nur kurz gewährt hat, hat andere Gründe. So erklären Vertreter der Kreditwirtschaft die wachsende Unsicherheit mit dem Fall Griechenland: Obwohl bei Einführung des Euro das politische Versprechen abgegeben wurde, dass kein Euroland je pleitegehen würde, ist genau das passiert.Die Athener Regierung ist zwar mit den Garantien der europäischen Staatengemeinschaft im Rücken in der Lage, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Allerdings „durften“ private Gläubiger auf ein Fünftel ihrer Forderungen verzichten, was als partieller Zahlungsausfall zu werten ist.

Genau dasselbe könnte auch den Gläubigern von Portugal, Spanien und Italien passieren. Mit der Angst vor dem wachsenden Ausfallrisiko verteuert sich auch die Finanzierung für diese Länder. Im krassen Gegensatz dazu werden den als sicher geltenden Schuldnern wie Deutschland die Türen eingerannt. Mit dem Vorteil, dass sich die Aufnahme neuer Schulden für Berlin neuerlich verbilligt hat (siehe Grafik).

Damit setzt sich eine Art Teufelskreis in Gang: Je höher die Risikoaufschläge, desto teurer wird es für die hoch verschuldeten Staaten, sich frisches Geld zu besorgen. Das ist insofern bedrohlich, als erwähnte Staaten vor hohem Kapitalbedarf stehen. Womit sich ihr gesamtes Kreditportfolio verteuert, wodurch die Zinsbelastung in den nationalen Haushalten steigt, was wiederum die Fähigkeit, Altschulden zu bedienen, minimiert.

Quelle: Bloomberg, Grafik: Die Presse

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2011)

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