Rom: Krisentreffen wegen Schulden

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Risikoaufschläge auf italienische Staatsanleihen erreichen Rekordstände. Tremonti bittet die Spitzen des Staates zu einem Krisentreffen. Regierung in Rom muss das Vertrauen der Anleger rasch zurückgewinnen.

Wien/Bloomberg/Höll. Italien sucht einen Ausweg aus der Schuldenkrise. Finanzminister Giulio Tremonti hat am Dienstag wegen der Krise das sogenannte „Finanzstabilitätskomitee“ einberufen. Dem Gremium gehören neben Tremonti die Präsidenten der Banken- und Börsenaufsicht an. Auch die Spitzen der Notenbank und des Wirtschaftsministeriums nahmen daran teil.

Das Komitee wurde 2008 nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers gegründet und tagt heuer zum ersten Mal. Vor dem Treffen hatte sich Notenbankchef Mario Draghi mit Präsident Giorgio Napolitano beraten. Der Staatschef verschob seinen Sommerurlaub. Er bleibe wegen der aktuellen Ereignisse in Rom, sagte sein Sprecher.

Sparkurs zu wenig konkret

Premierminister Silvio Berlusconi soll heute, Mittwoch, im Parlament eine Rede zur Finanz- und Wirtschaftslage halten, Agenturberichten zufolge will er schärfere Maßnahmen zur Bekämpfung der Schuldenkrise ankündigen. Beobachter zweifeln, ob sich dadurch die Lage entspannen wird. Die Regierung in Rom hatte erst vor zweieinhalb Wochen ein Sparpaket mit Einsparungen von 48 Mrd. Euro verabschiedet. Kritiker bemängeln jedoch, dass die damals vorgestellten Maßnahmen zu unkonkret seien.

Die Opposition drängt auf Neuwahlen wie in Spanien. „Die Signale sind dramatisch. Jetzt entdecken wir, dass wir die Schulden nicht zurückzahlen können“, sagte Oppositionschef Pierluigi Bersani von der „Partito Democratico“. Der Leitindex der Mailänder Börse war am Dienstag auf den tiefsten Stand seit 27 Monaten gefallen.

Dramatischer ist jedoch die Entwicklung bei italienischen Staatsanleihen. Die Rendite für zehnjährige Papiere kletterte auf 6,08 Prozent. So viel müsste die Regierung in Rom derzeit bei der Geldaufnahme zahlen. Dabei handelt es sich um einen der höchsten Werte seit der Euroeinführung. In der Vorwoche lag die Rendite bei 5,79 Prozent, Ende Juni waren es noch 4,98 Prozent. Weltweit ziehen Vermögensverwalter Geld von Italien und Spanien ab. Die US-Gesellschaft Merrill Lynch Global Investment erklärte am Dienstag, keinen Cent des von ihr verwalteten Vermögens von 1,5 Billionen US-Dollar in italienische Bonds zu investieren. Sie sei nicht davon überzeugt, dass mit der vor zwei Wochen beschlossenen Rettungsaktion für Griechenland die Schuldenkrise in Europa eingedämmt wurde.

Ähnlich äußerte sich die in Frankfurt angesiedelte DWS Investment, die 390 Mrd. Dollar verwaltet. Großanleger, die italienische Anleihen halten, sichern sich verstärkt mit Kreditausfallversicherungen gegen eine Pleite des Landes ab.

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Italien braucht Milliarden

Die Regierung in Rom muss das Vertrauen der Anleger rasch zurückgewinnen. Das Land will bis Jahresende an den Kapitalmärkten bis zu 130 Mrd. Euro aufnehmen, was angesichts der Risikoaufschläge teuer werden wird. Analystenschätzungen zufolge braucht Italien noch im August 14,5 Mrd. Euro, im September weitere 31,2 Mrd. Euro. Die EU-Kommission versucht indes, Italien und Spanien den Rücken zu stärken. Beide Länder seien auf gutem Weg, sagte eine Kommissionssprecherin: „Wir haben Vertrauen in ihre Fähigkeiten.“

Trotzdem zeichnen sich Probleme bei der Beteiligung Italiens am nächsten Griechenland-Kredit ab. Das Land werde sich an der im September fälligen Tranche möglicherweise nicht beteiligen, da es höhere Zinsen für seine Schulden zahlen müsse, als es für die Kredite an Griechenland erhalte, heißt es. Italiens Anteil an dem Mitte September fälligen Kredit macht eine Mrd. Euro aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2011)

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