Frankreich bangt um sein AAA-Rating

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Hohe Defizite, lahmes Wachstum: Frankreich ist das schwächste Mitglied im Klub der sicheren Schuldner. Ohne seine Spitzenbonität aber wackeln Rettungsschirm und Eurozone. Die Investoren werden misstrauisch.

Wien. Die Ferien hatten so schön begonnen für Nicolas Sarkozy: In der stattlichen Familienresidenz seiner Frau Carla Bruni konnte sich Frankreichs Präsident entspannen, am Mittelmeer-Strand Bücher lesen und bei Radtouren auf die Pässe im Hinterland seinen Sohn Jean abhängen. Am gestrigen Mittwoch aber musste er die Berggipfel um Le Lavandou gegen einen Krisengipfel in Paris eintauschen: Eilig hatte Sarkozy seinen Premier, drei Minister und den Notenbankchef im Elysée zusammengetrommelt, um sie auf einen rascheren und konkreten Sparkurs einzuschwören.

Die Eile hat gute Gründe: Am vorigen Freitag entzog die Ratingagentur Standard & Poor's den USA die beste Bonitätsnote und stufte sie auf „AA+“ zurück. Seitdem zeigen sich immer mehr Analysten und Ökonomen davon überzeugt, dass es dabei nicht bleiben wird. Welcher der 18 Staaten als nächster aus dem Club der sichersten Schuldner fliegen könnte, hat S&P selbst in der Begründung seines USA-Verdikts angedeutet: Kein Land mit „AAA“ werde 2015 eine so hohe Schuldenquote wie die Vereinigten Staaten haben – außer Frankreich.

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Tatsächlich bewerten die drei gefürchteten Ratingagenturen das Land weiterhin milde: alle mit Bestnote, alle mit stabilem Ausblick – und das trotz eines Budgetdefizits von 7,1 Prozent im vorigen Jahr und Staatsschulden, die erst 2012 ihren Höchststand von 87 Prozent erreichen sollen.

Investoren werden misstrauisch

Die Anleiheinvestoren sehen die Lage der „Grande Nation“ längst kritischer: Der Risikoaufschlag auf zehnjährige deutsche Bundesanleihen hat sich seit dem Vorjahr fast verdreifacht, auf nunmehr 90 Basispunkte. Am Montag erreichten die Kreditausfallsversicherungen auf französische Bonds einen Rekordwert von 159 Basispunkten – auch dies der bei weitem höchste Wert unter den Top-Schuldnern.

Die Anleger misstrauen den Beteuerungen der Pariser Regierung, sie wolle das Defizit bis 2013 wieder auf die Maastricht-Latte von drei Prozent drücken. Das liegt vor allem an den optimistischen Wachstumsprognosen, die den vagen Plänen zu Grunde liegen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die OECD warnen seit Wochen, dass sich die französische Wirtschaft schlechter entwickelt als kalkuliert. Am Freitag werden Daten für das erste Halbjahr bekannt; die Volkswirte der großen Banken erwarten eine Stagnation, wenn nicht gar ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung.

Dabei kann sich die das Fundament der Zukunft durchaus sehen lassen: Die gallische Wirtschaft ist breit aufgestellt, die Verwaltung effizient. Die gebärfreudigen Französinnen sorgen dafür, dass das Pensionsloch weniger bedrohlich klafft als in anderen EU-Ländern. Das Bildungsniveau ist hoch, das Bankensystem solide und die Verschuldung der privaten Haushalte unter Kontrolle.

Aber diese gesunde Struktur kommt nicht zum Tragen. Denn Frankreich büßt seit Jahren an Wettbewerbsfähigkeit ein, was sich in bedrohlich steigenden Leistungsbilanzdefiziten niederschlägt – auch das ein Unikum für einen „Triple A“-Staat.

Dazu kommt, dass die politische Elite das Sparen nie lernen wollte: Seit dreissig Jahren hat der Fiskus keinen Überschuss mehr erzielt. Entsprechend halbherzig fiel bisher (abgesehen von der Pensionsreform des Vorjahres) Sarkozys Bemühen um Konsolidierung aus. Ein paar Steuerschlupflöcher sollen geschlossen werden, was drei Milliarden bringt – das war es auch schon. Bald beginnt der Wahlkampf für die „Présidentielle“ im kommenden Mai, und dann wird Sarkozy seine Wähler nicht mehr mit Sparprogrammen vergrämen können.

Das Dilemma der reichen Bürgen

Umso mehr steigt die Nervosität in Brüssel, Berlin und Frankfurt. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet verlangt, die Regierung solle endlich „ihre Arbeit tun“. Denn die Euro-Granden wissen: Wenn die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone ihr Top-Rating verliert, sieht es auch für die Gemeinschaftswährung düster aus.

Denn was passiert dann mit dem neuen Rettungsfonds EFSF? Seine Finanzierungsbedingungen hängen ja von der Bonität jener Staaten ab, die ihn finanzieren. Wird Frankreich rückgestuft, bleiben nur zwei, gleichermaßen fatale Optionen: Entweder bleiben die Franzosen aus Angst vor Gesichtsverlust mit im Boot – dann müssen auch alle anderen höhere Zinsen bezahlen. Oder sie treten als Geber zurück – dann sinkt das Volumen des Fonds oder es steigt das Risiko für die anderen. Beides würde neue, heftige Diskussionen auslösen und das Vertrauen der Märkte in Europas Währung erschüttern. So wird sich die Zukunft des Euro in Rom und Paris entscheiden – mit Italien als gefährlichstem Schuldner oder Frankreich als diskreditiertem Bürgen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2011)

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