Schuldenkrise: EZB entwickelt sich zur riesigen „Bad Bank“

(c) AP (Michael Probst)
  • Drucken

Die Europäische Zentralbank hält 96 Mrd. Euro an riskanten Anleihen und will weitere zukaufen. Kritiker nennen das Institut bereits „EBB“, eine Europäische Bad Bank. Heftige Kritik kommt auch aus Deutschland.

Wien. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat mehr italienische und spanische Staatsanleihen erworben, als ursprünglich erwartet. In der Vorwoche kauften die Währungshüter innerhalb von drei Handelstagen Wertpapiere der südeuropäischen Länder im Volumen von 22 Mrd. Euro. Noch nie zuvor in ihrer Geschichte gab die EZB in einer Woche so viel Geld für Bonds aus. Kritiker nennen das Institut bereits „EBB“, eine Europäische Bad Bank. Das Volumen der riskanten Anleihen erhöhte sich auf einen Rekordwert von 96 Mrd. Euro. Analysten gehen davon aus, dass dies erst der Anfang ist. Um die Märkte dauerhaft zu beruhigen, müssen die Zentralbanker noch 100 bis 200 Mrd. zur Verfügung stellen.
Für diese Risken steht auch Österreich gerade. Denn das Programm wird über die nationalen Notenbanken abgewickelt. Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) übernahm im Vorjahr im Zuge der EZB-Hilfsaktion Anleihen europäischer Schuldnerländer von 2,3 Mrd. Euro. Der Griechenland-Anteil soll bei 1,5 bis zwei Mrd. Euro liegen. Den genauen Betrag gibt OeNB-Chef Ewald Nowotny nicht bekannt. Nun kommen noch italienische und spanische Papiere hinzu. Der Bund haftet als alleiniger Eigentümer für die Verbindlichkeiten der OeNB.

Trichet verteidigt sich

Die EZB-Führung rechtfertigt sich damit, dass ohne ihre Interventionen die Turbulenzen an den Finanzmärkten in der Vorwoche noch viel größer gewesen wären. Gerüchte, man habe auf Druck europäischer Regierungen gehandelt, werden zurückgewiesen.
Wie die Zentralbank nun aus dem Dilemma herauskommt, ist unklar. In der Vergangenheit hatte EZB-Chef Jean-Claude Trichet versichert, dass es sich bei den Anleihenkäufen um eine Ausnahme handelt. Nun werden sie aber zum Regelfall. Die Währungshüter handeln nach dem Prinzip Hoffnung. Sie gehen davon aus, dass die angeschlagenen Staaten ihre Schulden vollständig zurückzahlen. In diesem Fall würde die EZB mit Gewinn aussteigen, da sie die Anleihen zu einem niedrigen Kurs über die Börse erworben hat. Kommt es dagegen zu einem Zahlungsausfall einzelner Länder, sind Wertberichtigungen in Milliardenhöhe erforderlich. Da die EZB und OeNB nicht pleite gehen können, müssten die Steuerzahler einspringen.

Heftige Kritik aus Deutschland

Für den deutschen Finanzexperten Wolfgang Gerke sind die Anleihenkäufe „unverantwortlich“. Damit habe sich die Eurozone zur Transferunion entwickelt, weil die Euromächte Frankreich und Deutschland den größten Anteil an der EZB halten und bei Problemen am stärksten zur Kasse gebeten werden. Dem Vernehmen nach haben sich im EZB-Direktorium die Notenbanker aus Deutschland und den Niederlanden gegen die Hilfsaktion ausgesprochen, doch sie wurden von Vertretern aus Südeuropa überstimmt. Die Zentralbanker des Südens erhalten künftig noch mehr Einfluss. In den nächsten Monaten wird der italienische Notenbank-Chef Mario Draghi die Nachfolge von EZB-Präsident Trichet (Frankreich) antreten.
Die Vorgänge sorgen in Deutschland für Empörung. Die Zentralbank könne nicht auf Dauer die Versäumnisse einzelner Staaten ausgleichen, meinte am Dienstag Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Das Aufkaufprogramm müsse eine Ausnahme bleiben, forderte auch sein Parteikollege, der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich. Österreichs Politiker halten sich mit Kritik zurück.
Bislang sind die Interventionen allerdings aufgegangen. Die Renditen für italienische und spanische Staatsanleihen sanken in den vergangenen zehn Tagen von 6,3 Prozent auf unter fünf Prozent. Damit verbilligt sich für die Regierungen in Rom und Madrid die Geldaufnahme an den Kapitalmärkten. Die Währungshüter wollen auch in den nächsten Wochen im großen Stil eingreifen. Um die Lücken im Staatsbudget zu schließen, plant Italien in den nächsten zwölf Monaten die Herausgabe von neuen Anleihen im dreistelligen Milliardenbereich.
Das Hilfsprogramm der EZB soll vorläufig bis Oktober gelten. Dann soll der europäische Rettungsfonds EFSF aktiv werden. Dieser ist ausdrücklich dazu ermächtigt, Bonds europäischer Schuldnerländer aufzukaufen, doch der Fonds war eigentlich nur für Griechenland, Portugal und Irland konzipiert. Damit er auch in Italien aktiv werden kann, müsste das Volumen deutlich aufgestockt werden. Doch dagegen regt sich Widerstand in Deutschland. Italien sei viel zu groß, um von anderen Ländern gestützt zu werden, heißt es in Berlin.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.