Innenpolitische Querschüsse bedrohen Euro-Rettungsschirm

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Deutschlands interner Streit um die Eurorettung ist kein Einzelfall. Die Gratwanderung zwischen Griechenland-Hilfe und Griechenland-Bashing wird in mehreren EU-Hauptstädten prekär.

Wien. Jede Kredit-Tranche an Athen wird mittlerweile zur Zitterpartie. Der Versuch, einen ausreichend großen permanenten Euro-Rettungsschirm aufzuspannen, droht zu scheitern. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben sich zwar bei mehreren Sondertreffen zu diesen Notmaßnahmen durchgerungen. Damit war es ihnen zumindest kurzfristig gelungen, die Märkte zu beruhigen. Doch mittlerweile stellt sich heraus, dass sie die Rechnung ohne die Berücksichtigung der innenpolitischen Stimmungslage gemacht haben.

Um die skeptische Bevölkerung nicht als Wähler zu verlieren und kritische Koalitionspartner zu befriedigen, betreibt nicht nur die deutsche Führung unter Angela Merkel eine Gratwanderung zwischen Griechenland-Hilfe und Griechenland-Bashing. In zahlreichen EU-Ländern – Österreich ist hier keine Ausnahme – spitzt sich die innenpolitische Stimmung zu. Athen selbst trägt seinen Teil dazu bei, indem es den Skeptikern immer neue Munition liefert – wie zuletzt mit seiner Weigerung, auf Forderungen der Troika aus EU, EZB und IWF einzugehen.

Jetzt wackelt die nächste Kredittranche in der Höhe von acht Milliarden Euro an Athen, die Mitte September ausbezahlt werden sollte. Weil die griechische Regierung es nicht schafft, zeitgerecht die Ausgaben zu senken und die Privatisierung umzusetzen, drohen Politiker der deutschen Regierungskoalition aus CDU und FDP mit einem Stopp der Milliardenhilfe. Und selbst die oppositionelle SPD schlägt inzwischen in dieselbe Kerbe. „Hilfe gibt es nur, wenn die Hausaufgaben gemacht wurden.“ Dass Athen gleichzeitig eine wachsende Arbeitslosigkeit von derzeit 16 Prozent sowie eine Rezession schultern muss und die Privatisierungen derzeit keine großen Erlöse bringen würden, bleibt in dieser Debatte unterbelichtet.

Diese prekäre Stimmungslage bedroht auch die Aufstockung des Euro-Rettungsschirms EFSF, wie sie im März von den Staats- und Regierungschefs der EU beschlossen wurde. Die Ratifizierung in den Mitgliedstaaten sollte nach dem Plan der EU-Kommission eigentlich im Herbst abgeschlossen sein. Doch in mehreren Ländern hat der schwelende innenpolitische Brand auch dieses Projekt erfasst. In Finnland droht der Regierung mit ihrer Gesetzesvorlage zum EFSF im Parlament eine Niederlage. Sie ist dort auf Stimmen der Euro-skeptischen Opposition angewiesen. Um die im Land mittlerweile weitverbreitete Skepsis zur Eurorettung einzudämmen, hat die finnische Regierung ihre Zustimmung zur EFSF-Aufstockung mit der Gewährung von Garantien verknüpft. Athen soll Sicherheiten einbringen, falls die Haftung schlagend wird. Österreich und die Niederlande sprangen gleich auf diesen Zug auf. Am gestrigen Dienstag versuchte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bei einem Treffen mit seinen finnischen und niederländischen Kollegen, einen Ausweg zu finden.

Ungemach wartet aber auch in der Slowakei, die sich als einziges Euro-Land bereits einmal der Griechenland-Hilfe verweigert hat. Die Regierung unter Premierministerin Iveta Radičová hat sich zwar gegenüber den Europartnern verpflichtet, an der Aufstockung des EFSF mitzuwirken. Doch nun droht ihr dabei eine Abstimmungsniederlage im nationalen Parlament. Zu groß ist die Skepsis in der Bevölkerung und zu groß die Versuchung der Parteien, diese Skepsis zu bedienen. Zuletzt wurde die Abstimmung auf Dezember verschoben. Eine Entscheidung, die den Fahrplan für die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms gehörig durcheinander bringen dürfte.

Bevölkerung glaubt nicht an Rettung

Immer größer wird die Kluft in zentralen Ländern der Eurozone zwischen dem politische Willen der Staatsspitze zur gemeinsamen Bewältigung der Krise und der innenpolitischen Stimmungslage. In Deutschland glauben laut einer Emnid-Umfrage bereits 90 Prozent der Bürger, dass die Schuldenkrise nicht mehr mit einem größeren Rettungsschirm gelöst werden kann. Die Regierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält dennoch daran fest. Sie hat freilich wenig Alternativen, da sie weiß, dass es das Land noch teurer kommen würde, wenn der Euro zerbricht. Das von Skeptikern immer öfter geforderte Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro und die Bildung einer Hartwährungsunion rund um die D-Mark, das belegt eine jüngste Studie des Schweizer Bankhauses UBS, hätte einen Zusammenbruch des deutschen Außenhandels und eine Pleitewelle bei deutschen Unternehmen zur Folge.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2011)

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