Besinnen sich die EU-Länder nicht auf den Maastricht-Vertrag, sei eine gesamteuropäische Finanzpolitik notwendig, so Jens Weidmann.
Jens Weidmann , Präsident der Deutschen Bundesbank, verlangt von der Politik eine schnelle und umfassende Lösung der Schuldenkrise. Entweder müssten sich die europäischen Nationen wieder auf ihre im Maastricht-Vertrag verankerten finanzpolitischen Verpflichtungen besinnen und diese auch umsetzen oder aber finanz- und haushaltspolitische Verantwortung auf eine gesamteuropäische Ebene verlagern.
"Aus meiner Sicht muss die Entscheidung für einen der beiden Wege zeitnah fallen", sagte Weidmann am Dienstag vor Unternehmern in Köln. Der Mittelweg aus einer zunehmenden Vergemeinschaftung der Haftung bei weiterhin eigenständigen nationalen Fiskalpolitiken drohe zu scheitern. "Die stabilitätsorientierte Währungsunion und damit der erreichte Stand der europäischen Integration würden gefährdet."
Auch eine Fiskalunion sei denkbar, sagte Weidmann. "Eine europäische Fiskalunion bedeutet dabei keinesfalls, dass die gesamte Fiskalpolitik - einschließlich der Einnahmen- und Ausgabenpolitik - zentralisiert werden muss." Gerade bei einer Fiskalunion sei es aber unabdingbar, dass strenge Regeln für die Mitgliedsländer gelten.
"Größte Bewährungsprobe für den Euro"
Aktuell verspiele die Politik durch zu zögerliches Handeln und falsche Maßnahmen viel Vertrauen, kritisierte Weidmann. Vertrauen, das auch dem Euro am Ende fehlen könnte. "Die Menschen nicht nur in Deutschland machen sich Sorgen über ihre Währung. Diese Sorgen nehme ich ernst." Die Schuldenkrise sei "zweifelsohne die bisher größte Bewährungsprobe für den Euro".
Um diese Bewährungsprobe zu bestehen, müssten sowohl die starken Länder, als auch die schwachen, überschuldeten Länder an einem Strick ziehen. Solidarität dürfe allerdings nicht mit gemeinsamer Haftung verwechselt werden, warnte Weidmann, der sich erneut gegen gemeinsame Staatsanleihen von Euro-Ländern aussprach. "Jetzt gilt es zuallererst, in den betroffenen Ländern durch umfangreiche Konsolidierungs- und Reformmaßnahmen Vertrauen in die Stabilität der öffentlichen Finanzen zu schaffen, die Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen und ein gesundes nationales Finanzsystem zu sichern. Hier ist der Anfang gemacht. Es ist aber teilweise noch eine beträchtliche Wegstrecke zurückzulegen."
Notenbanken entlasten
Die Geldpolitik - also die Notenbanken - müsse von der Finanzpolitik deutlich schneller wieder entlastet werden. "Derzeit haben die Notenbanken der Finanzpolitik einen Teil ihrer Lasten für die Stützung einzelner Mitgliedsländer oder von Banken, die in eine Schieflage geraten sind, abgenommen. Doch dafür ist die Bilanz des Eurosystems mit erheblichen Risiken belastet. Ich bin der dezidierten Auffassung, diese nunmehr wieder abzubauen und keinesfalls auszuweiten. Es ist damit spätestens jetzt an der Zeit, dass die Finanzpolitik entscheidet, welche Risiken sie im Zuge der Krisenbekämpfung aber auch perspektivisch übernehmen will. Dies ist nicht die Aufgabe der Geldpolitik."
(Ag.)