Polens Finanzminister warnt EU vor Krieg

(c) AP (Christian Lutz)
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Der deutsch-französische Alleingang beim Versuch der Reform der Währungsunion stößt bei EU-Mandataren und Osteuropas Regierungen auf tiefe Ablehnung. Sie organisieren Widerstand.

Strassburg. Ein Zerbrechen des Euro würde das Ende der gesamten Europäischen Union bedeuten und die Gefahr eines neuen Krieges in Europa einläuten, warnte der polnische Finanzminister und derzeitige Vorsitzende im Finanzministerrat, Jan Vincent-Rostowski, am Mittwoch bei einer Debatte über die Wirtschaftslage im Europäischen Parlament in Straßburg. „Wir müssen Sorge tragen, dass sich die dunklen Kapitel unserer Geschichte nicht wiederholen“, präzisierte der frühere Wirtschaftsprofessor an der London School of Economics bei einer Pressekonferenz seine Aussagen vor den EU-Abgeordneten. „Wenn die Euro-Krise nicht bewältigt wird, wird das die EU nicht überleben. Das würde das geopolitische Gefüge in Europa über den Haufen werfen.“

Vincent-Rostowskis Aussagen waren zwar zu einem Gutteil für seine polnischen Zuhörer bestimmt. (Am 9. Oktober wird in Polen gewählt, und die Regierung gilt laut Meinungsumfragen als seriöseste in Sachen Europapolitik, was sie im Zuge des Wahlkampfes zu nutzen versucht.) Doch verband er seinen Krisen-Appell auch mit einer Kritik an den deutsch-französischen Plänen zur Abnabelung der Eurozone vom Rest der EU: „Natürlich müssen wir den Euro um jeden Preis retten. Aber dabei dürfen wir kein Europa der zwei Geschwindigkeiten schaffen.“

Gemeinsame Front gegen „Merkozy“

Die Sorge, bei der Schaffung einer „Europäischen Wirtschaftsregierung“ der Euroländer unter der Führung von Deutschland und Frankreich auf der Strecke zu bleiben, eint Polen mit den anderen osteuropäischen Staaten, die den Euro noch nicht eingeführt haben. Sie haben diese Woche begonnen, eine Front gegen die Pläne der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy zu schmieden. Am Montag trafen sich Regierungsvertreter Polens, Tschechiens, Ungarns, Lettlands, Litauens, Bulgariens und Rumäniens in Brüssel, um sich für den nächsten EU-Gipfel Mitte Oktober abzustimmen. Sie sind alle gemäß ihrer EU-Beitrittsverträge zur Einführung des Euro verpflichtet und haben Angst, von den zwischenstaatlich, also nicht auf EU-Ebene, vereinbarten Beschlüssen des deutsch-französischen Duos (in Brüssel boshaft „Merkozy“ genannt) ausgeschlossen zu werden.

Barroso verspricht Studie über Eurobonds

Hier treffen sich die Interessen der sieben mittel- und osteuropäischen Staaten mit jenen des EU-Parlaments. „Die Vorschläge von Frau Merkel und Herrn Sarkozy taugen nichts. Eine Regierung, die sich zweimal im Jahr trifft, ist keine Regierung“, donnerte der Chef der Liberalen, der ehemalige belgische Ministerpräsident Guy Verhofstadt, in Straßburg. „Entweder jeder für sich allein oder alle für jeden. Der Mittelweg – mal ja, mal nein – macht den Euro kaputt“, sagte Martin Schulz, Chef der Sozialdemokraten und designierter neuer Parlamentspräsident ab 2012. Die Mandatare kritisieren in erster Linie, dass die von Berlin und Paris beworbene „Wirtschaftsregierung“ der Eurozone unter Herman Van Rompuy, dem Präsidenten des Europäischen Rates, keiner parlamentarischen Kontrolle unterworfen wäre und im stillen Kämmerlein entscheiden würde.

Während der Debatte wiederholte Kommissionspräsident José Manuel Barroso sein Versprechen, „bald Optionen für die Einführung von Eurobonds“ vorstellen zu wollen. Das wären gemeinsame Anleihen aller EU-Staaten. „Einige dieser Optionen könnten im Rahmen des gegenwärtigen Vertrags eingeführt werden, andere würden Vertragsänderungen erfordern“, sagte Barroso. „Aber wir müssen ehrlich sein: Das wird keine unmittelbare Lösung für alle Probleme bringen, die wir haben.“ Damit wiederholte Barroso fast wortgleich die Ankündigung seines Wirtschafts- und Währungskommissars Olli Rehn vom heurigen Juni. „Ohne zuerst die wirtschaftspolitische Steuerung ernsthaft zu reformieren, würden Euro-Anleihen rasch zu Ramsch-Anleihen“, hatte Rehn damals im Europaparlament gewarnt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2011)

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