China will Europa helfen – mit Auflagen

(c) AP (Andy Wong)
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Der chinesische Premier Wen Jiabao kündigte beim Weltwirtschaftsforum in Dalian Unterstützung für Europas tief verschuldete Länder an. Er stellte jedoch Bedingungen dafür.

In China nennen ihn alle Großväterchen Wen. Premier Wen Jiabao ist das gütige Antlitz der chinesischen Führung. Er ist mit Trost zur Stelle, wenn die Erde bebt, Züge entgleisen oder Schneekatastrophen das Neujahrsfest verleiden. Bei der Eröffnung des Weltwirtschaftsforums in der Hafenstadt Dalian hatte Wen Trost für die von der Schuldenkrise gebeutelten Europäer parat: Sein Land sei überzeugt, dass sich die europäische Wirtschaft wieder erholen werde. China sei bereit, „eine helfende Hand auszustrecken“ und mehr in europäische Länder zu investieren.

Aber die „helfende Hand“ reckt gleichzeitig den Zeigefinger empor: Die entwickelten Länder müssen verantwortungsvolle Finanz- und Geldpolitik betreiben: „Am wichtigsten ist es, das Übergreifen der europäischen Staatsschuldenkrise auf andere Staaten zu verhindern.“

Prall gefüllte „Kriegskasse“

Großväterchen Wen ist eben nicht Mutter Teresa und internationale Politik – Wirtschaftspolitik zumal – die Kunst des Gebens und Nehmens. Und bevor China seine mit Währungsreserven im Wert von 3,2 Billionen Dollar (rund ein Viertel davon in Euro) prall gefüllten Tresore für die Europäer öffnet, deponiert der chinesische Premier seine Wunschliste und fordert „mutige Schritte“, insbesondere die baldige Anerkennung der zweitgrößten Volkswirtschaft als „volle Marktwirtschaft“ – was die EU bisher verweigert hat.

Das Thema wird wohl am 25. Oktober beim EU-China-Gipfel in Tianjin nahe Peking auf den Verhandlungstisch kommen. Der Status „volle Marktwirtschaft“ schützt Peking vor Anti-Dumping-Klagen und ist für Pekings Führung auch eine Frage des Prestiges. 2016 bekäme das Land gemäß internationalen Verträgen diesen Status ohnehin.

Pekings Hilfe für die Eurozone wäre nicht selbstlos: Die EU ist der wichtigste Handelspartner Chinas. Die 27 EU-Länder importierten im Jahr 2010 chinesische Waren im Wert von 282 Mrd. Dazu kommt, dass die chinesische Führung ein multipolares Währungssystem anstrebt, dem außer dem Dollar-Yen-Euro-Trio irgendwann auch einmal der Yuan angehören soll.

Zuletzt gab es Spekulationen, wonach China dem mit 1,9 Billionen Euro schwer verschuldeten Italien unter die Arme greifen soll: Der italienische Wirtschaftsminister Giulio Tremonti soll sich mit Lou Jiwei, Chef der China Investment Corporation, getroffen haben.

Die Märkte atmeten kurz auf, doch dann wurde klargestellt, dass Investitionen in Italiens Wirtschaft und nicht der Kauf von Staatsanleihen diskutiert worden seien. China ist schon seit einiger Zeit auf Einkaufstour in Europa: An Griechenland interessieren chinesische Investoren Reedereien und Hafenanlagen. Österreich ist für China vor allem als Sprungbrett nach Mittel- und Osteuropa und als Hightech-Standort interessant. Unlängst kaufte XAC (Xi'an Aircraft Industry Company) den Flugzeugzulieferer FACC, der Teile für Boeing und Airbus herstellt. In Ungarn wiederum baut der chinesische Telekom- und Technologiekonzern Huawei sein weltweit zweitgrößtes Logistikzentrum, Appetit entwickelte Peking auch auf die ungarischen Luftlinie Malev. Die osteuropäischen Staaten sind im Dilemma: Die westlichen Nachbarn halten sich mit Investitionen zurück, gleichzeitig sind die Erfahrungen mit chinesischen Partnern nicht immer die besten.

EU hat keine klare Haltung

Strassburg/Go. Die EU hat keine gemeinsame Position zum chinesischen Hilfsangebot. Auf die Frage der „Presse“, was die europäischen Finanzminister beim informellen Treffen am Wochenende zur Offerte aus China sagen werden, antwortete Polens Finanzminister und derzeitiger EU-Ratsvorsitzende Jan Vincent-Rostowski im Europaparlament in Straßburg: „Wenn wir eine angemessene, koordinierte Antwort auf die Krise der Eurozone finden, werden wir keine angemessene, koordinierte Antwort an China brauchen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2011)

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