Abstufung: Gelbe Karte für Italiens Schuldenpolitik

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Italien gerät erneut ins Visier der Ratingagenturen. Die Finanzmärkte reagieren auf die neuerliche Herabstufung freilich extrem gelassen. Innenpolitisch gerät Premier Berlusconi aber unter beträchtlichen Druck.

Rom/Red./Doe. Die Ratingagentur Standard & Poor's hat der italienischen Regierung die Gelbe Karte gezeigt und die Kreditwürdigkeit des Landes um eine Stufe von „A+“ auf „A“ herabgestuft. Der Ausblick wurde zudem auf „Negativ“ gesetzt, was bedeutet, dass die nächste Abstufung nur noch eine Frage der Zeit ist. Italienische Staatsanleihen gehen damit gerade noch als „prinzipiell sichere Anleihe“ durch, eine weitere Abstufung würde die Finanzierung des Staatshaushalts beträchtlich erschweren.

Der Grund der unfreundlichen Beurteilung durch die Ratingagentur: Die zu wenig ambitionierten Reformmaßnahmen der Regierung Berlusconi reichen nicht aus, um den schlechter werdenden Wachstumsaussichten des Landes entgegenzusteuern.

Börsen und Euro legen zu

Die Finanz- und Währungsmärkte hatten aber offenbar Schlimmeres erwartet: Statt in Schreckensstarre zu verfallen, legten die Börsen europaweit zu, die Börse des „Krisenzahlerlandes“ Deutschland sogar vergleichsweise kräftig. Und der Euro konnte sich gegenüber dem Dollar nach einem kurzen Schwächeanfall am Morgen den ganzen Tag über leicht, aber konstant im Plus halten.

Entsprechend selbstsicher wurde die Rückstufung in Rom kommentiert: Die Bewertung scheine mehr von Medienberichten als von der Realität beeinflusst zu sein, hieß es aus Regierungskreisen. Ein Vorwurf, den S&P strikt zurückwies. Die EU leistete Rom Schützenhilfe: Ein Sprecher von Währungskommissar Olli Rehn meinte in Brüssel, Italien habe bereits Maßnahmen zur Senkung der gesamtstaatlichen Verschuldung ergriffen und werde „seine mit den EU-Partnern vereinbarten Sparziele erreichen“. Direkt kommentieren wollte der Sprecher die Rückstufung Italiens aber nicht.

Die Abstufung wird allerdings unangenehme Auswirkungen haben: Bei der Aufnahme neuer Kredite drohen dadurch höhere Zinsen. Denn niedrige Bonität lassen sich Geldgeber normalerweise durch höhere „Risikoprämien“ abgelten. Schon jetzt liegt die Sekundärmarktrendite des Landes mit 5,6 Prozent sehr hoch. Zum Vergleich: Die Sekundärmarktzinsen spanischer Anleihen liegen mit 5,3 Prozent bereits deutlich darunter.

Hauptproblem Italiens ist die extrem hohe Verschuldung: Das Land hat in Relation zu seiner Wirtschaftsleistung im Euroraum den zweithöchsten Schuldenstand hinter Griechenland. Im Juli ist der Schuldenstand des Landes bereits auf 1900 Milliarden Euro angewachsen.

Um dem gegenzusteuern, hat Rom heuer bereits zwei Sparpakete im Gesamtvolumen von 100 Mrd. Euro verabschiedet. Zudem ist geplant, nach deutschem Vorbild eine Schuldenbremse in der Verfassung festzuschreiben. Schon für das Jahr 2013 ist ein ausgeglichener Etat geplant.

Zweifel an der Reformfähigkeit

In der Zwischenzeit sind freilich Zweifel an der Umsetzbarkeit dieser Maßnahmen aufgetaucht. Um die Einsparungen realisieren zu können, müsste die Wirtschaft nämlich kräftig wachsen. Das tut sie aber nicht: Der internationale Währungsfonds hat seine Prognose für das italienische Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr von 0,7 auf 0,5 Prozent gesenkt.

In Italien selbst gerät die Regierung nach der Herabstufung allerdings vonseiten der Opposition und der Unternehmerverbände unter Druck. Industriellenpräsidentin Emma Marcegaglia sagte, entweder die Regierung sei in den nächsten Tagen in der Lage, ernsthafte und unpopuläre Reformen auf den Weg zu bringen und damit das Vertrauen der internationalen Finanzmärkte zurückzugewinnen – „oder dieses Kabinett muss nach Hause gehen. Es gibt keine Alternativen.“

Die Opposition im Lande bezeichnete die Herabstufung durch Standard & Poor's als nicht nur wirtschaftliches, sondern auch politisches Urteil. Der christdemokratische Politiker Pier Ferdinando Casini drängte Berlusconi zum sofortigen Rücktritt. Italien drohe ansonsten eine Situation „wie in Griechenland“. Berlusconi sei ein Teil der Probleme Italiens und soll mit seinem Rücktritt „Teil der Lösung“ werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2011)

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