Griechenlands Sparspirale treibt Massenprotest an

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Politische Lage spitzt sich nach weiteren Spar-Zusagen an die Kreditgeber zu. Taxi- und Busfahrer, Bahn- und S-Bahnführer legten ihre Arbeit nieder. Flugverkehr brach zusammen, weil die Fluglotsen streikten.

Athen/Ag./Red. In Athen ging an diesem Donnerstag nichts mehr. Taxi- und Busfahrer, Bahn- und S-Bahnführer legten aus Protest gegen die neuen, noch härteren Sparmaßnahmen der Regierung ihre Arbeit nieder. Weil es nur noch möglich war, mit dem eigenen Auto voranzukommen, waren bald die meisten Straßen überlastet. Auch der Flugverkehr brach zusammen, weil die Fluglotsen streikten. Die Lehrer legten ebenfalls ihre Arbeit nieder.

„Sie haben unsere Löhne und Renten gekürzt, und wir haben es hingenommen“, sagte ein 32-jähriger Mitarbeiter des Staatstheaters. „Aber ich glaube nicht mehr, dass irgendwas davon zum Wohle des Landes geschieht. Wir werden sinnlos geopfert. Wir können eine Staatspleite nicht vermeiden.“ In der Bevölkerung wurden die Ankündigungen von neuen Sparmaßnahmen der Regierung in der Höhe von sechs Milliarden Euro nur noch mit Verbitterung aufgenommen.

Langsam spitzt sich für die Regierung unter dem sozialistischen Premierminister George Papandreou die Lage zu. Die immer neuen Auflagen der Troika von EU, IWF und EZB drohen, gepaart mit Massenprotesten, die Wirtschaft schwer zu beschädigen. Der Druck sowohl der Kreditgeber als auch der Bevölkerung steigt ständig, doch ihr Handlungsspielraum wird immer kleiner. Für Anfang Oktober sind weitere Massenproteste der Gewerkschaft geplant.

Am Mittwochabend hatte Finanzminister Evangelos Venizelos angekündigt, dass neben einer 20-prozentigen Kürzung aller Renten von mehr als 1200 Euro und der weiteren Senkung des Steuerfreibetrags von 8000 auf 5000 Euro auch 30.000 Stellen im öffentlichen Dienst bis zum Ende des Jahres abgebaut werden. Wie Regierungssprecher Ilias Mossialos mitteilte, beschloss die Regierung zudem eine Reihe von strukturellen Reformen zur Öffnung gewisser Berufe und des Arbeitsmarkts. Mit den verschärften Sparmaßnahmen will die Regierung die Auflagen der Troika für die Auszahlung der nächsten Kredittranche von acht Milliarden Euro erfüllen.

Der Leiter der EU-Taskforce, Horst Reichenbach, würdigte in einem ZDF-Interview die Beschlüsse der Regierung in Athen als Ausdruck für deren Bereitschaft zu Reformen. Kommende Woche werden EU, EZB und IWF prüfen, ob die nächste Kredittranche aus dem Rettungspaket an Griechenland ausbezahlt werden kann.

Liquidität wird sich nicht erhöhen

Viel finanzieller Spielraum bleibt der griechischen Regierung nicht. Der Großteil der nächsten Tranche fließt nämlich in die Rückzahlung von Staatsanleihen. Bis Jahresende muss Athen 6,625 Milliarden Euro für fällig werdende Titel bereitstellen. Gleichzeitig sinken wegen der Rezession die Steuereinnahmen. Die US-Bank Goldman Sachs warnt vor einer immer teureren Umschuldung. Weil die Schulden des Landes weiter wüchsen, sei eine größere Umschuldung als bisher angenommen unausweichlich, so Goldman-Auslandchef Peter Sutherland.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2011)

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