Die Steuer soll jährlich 55 Milliarden Euro einbringen. EU-Kommissionschef Barroso spricht von einer "Gegenleistung der Banken für die Gesellschaft".
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso hat am Mittwoch im Europaparlament in Straßburg eine Finanztransaktionssteuer angekündigt, die 55 Milliarden Euro Einnahmen bringen soll. Barroso sagte, in den letzten drei Jahren hätten die EU-Staaten Darlehen und Hilfen von 4,6 Billionen Euro an den Finanzsektor gewährt. "Jetzt ist es an der Zeit, dass der Finanzsektor auch eine entsprechende Gegenleistung für die Gesellschaft erbringt". Eine Finanztransaktionsteuer würde 55 Milliarden Euro Einnahmen jährlich bringen. Österreichs Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) "begrüßt die Ankündigung von EU-Kommissionspräsident Barroso, eine Finanztransaktionssteuer einführen zu wollen".
Bundeskanzler Werner Faymann bezeichnete den Vorschlag als "einen der wichtigsten Schritte zu mehr Steuergerechtigkeit in ganz Europa". Nun solle dieser Vorschlag von Barroso "möglichst rasch umgesetzt werden". Der Vorschlag entspreche dem, was Österreich seit dem Jahr 2009 fordere. "Wesentlich ist für mich auch, dass klargestellt wird, dass die Finanztransaktionssteuer den nationalen Budgets der Länder zugutekommen soll", so Faymann. Er erhofft sich für Österreich zusätzliche Erträge für den Staatshaushalt in Höhe von 500 Millionen bis 1 Milliarden Euro.
Details sickerten bereits durch
Details sickerten nach Beratungen der EU-Kommission am Dienstag zu diesem Thema aber bereits durch. Demnach liegt der geplante Steuersatz bei 0,01 Prozent für Derivate, und 0,1 Prozent bei Aktien und Anleihen, hieß es in Kommissionskreisen. Offiziell will Steuerkommissar Semeta den Vorschlag am Nachmittag präsentieren.
"Mit diesem Vorschlag wird die Europäische Union zum Vorreiter in der weltweiten Umsetzung einer Finanztransaktionssteuer", erklärte Semeta. "Unser Vorschlag ist vernünftig und durchführbar. Ich habe keinen Zweifel daran, dass diese Steuer leisten kann, was die EU-Bürger erwarten: einen fairen Beitrag des Finanzsektors. Ich bin zuversichtlich, dass unsere Partner in der G-20 mit Interesse diesen Weg verfolgen werden." Noch im Frühjahr hatte Semeta vor einem europäischen Alleingang bei der Einführung einer solchen Steuer gewarnt.
Bei der Präsentation des Arbeitsprogramms der Kommission und seiner Rede zur Lage der Union sprach Barroso von einer der größten Herausforderungen, denen die EU derzeit gegenüberstehe. Deshalb sei eine Erneuerung, eine "Renaissance" der EU notwendig. Barroso verteidigte die Griechenland-Hilfen und sprach sich auch für gemeinsame Schuldverschreibungen aus.
Rhythmus nicht von Langsamen vorgeben lassen
"Das kann ein gemeinsamer positiver Schritt werden, vorausgesetzt, dass das Stabilitätspapiere sind und beweisen, dass alle sich an die Regeln halten und wir die abschrecken, die sich nicht an Regeln halten wollen." Die Kommission werde die Regeln für entsprechende Stabilitätsanleihen in den nächsten Tagen vorlegen. Es sei bereits heute möglich, im Rahmen der Verträge solche Gemeinschaftsanleihen umzusetzen, "weitere Papiere könnten nach Vertragsänderungen aufgelegt werden".
Barroso erklärte, was ihn "besorgt stimmt, ist die Verpflichtung der Einstimmigkeit. Den Rhythmus dürfen wir uns nicht von den Langsamsten vorgeben lassen. Heute ist es so, dass das langsamste Mitglied die Geschwindigkeit der ganzen Gruppe bestimmt. Das ist auch für die Märkte nicht glaubwürdig. Deshalb müssen wir das Problem der Entscheidungsfindung lösen. Natürlich hat jeder Mitgliedstaat die Möglichkeit, Entscheidungen nicht zu akzeptieren. Das ist eine Frage der nationalen Souveränität. Aber ein Mitgliedsland hat damit nicht das Recht, andere zu blockieren. Die sind ja auch souverän und dürfen darüber hinausgehen, wenn sie das wollen".
"Europäische Renaissance"
Zur Krise der Eurozone sagte der Kommissionspräsident, es handle sich um eine Krise der Staatsverschuldung und eine politische Vertrauenskrise. Es gebe aber Auswege und "Europa hat Zukunft". Dazu brauche es eine "europäische Erneuerung, eine Renaissance". Heute befinde sich die EU am "Kreuzweg der Geschichte, am Scheideweg. Wenn wir nicht entschlossen voranschreiten, laufen wir die Gefahr der Zersplitterung".
Zu Griechenland verwies Barroso darauf, dass beim Euro-Gipfel am 21. Juli die Staaten sich dazu bekannt hätten, dem südlichen Euroland solange zu helfen, bis es wieder Zugang zu den Finanzmärkten erhalte. Natürlich müsse Athen seine Verpflichtungen auch umsetzen.
Um schneller auf nationale Verschuldungen reagieren zu können, will Barroso auch ein rascheres Inkrafttreten des künftigen Euro-Rettungsschirms ESM erreichen. "Das Inkrafttreten des ESM muss beschleunigt werden. Es gehe darum, die Integrität des Währungsgebiets zu gewährleisten. Dazu "müssen wir auch die wirtschaftspolitische Koordinierung vorantreiben".
(APA)