Die Griechen schaffen es allein nicht mehr

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Symbolbild(c) EPA (PANTELIS SAITAS)
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173 Prozent Schuldenquote, jeder Siebte arbeitslos, drei Jahre Rezession: Griechenlands wirtschaftliche Kennzahlen sind so verheerend, dass die Euroländer und der IWF ein neues Rettungspaket schnüren müssen.

Brüssel. Im Juli hatten die Staats- und Regierungschefs der Euroländer in Brüssel mit Pomp und Trara ein zweites Hilfspaket für Griechenland angekündigt. Jetzt, zweieinhalb Monate später und bevor es überhaupt in Kraft treten konnte, steht fest: Das wird nicht funktionieren. Griechenlands Volkswirtschaft ist viel desolater als befürchtet. Ein neuer Plan muss her. Und er muss viel radikaler sein.

Zwei Zahlen machen das Problem für jedermann verständlich: Griechenlands Finanzministerium hat am Montag bei der Vorlage der Gesetzesvorlage für das Budget 2012 verkündet, dass die hellenische Wirtschaft im nächsten Jahr um 2,5 Prozent schrumpfen wird. Der zweite Hilfsplan vom 21. Juli, der unter anderem auch erstmals die privaten Gläubiger Griechenlands zu einem Forderungsverzicht von rund 21 Prozent angehalten hätte, ging aber von 0,6 Prozent Wirtschaftswachstum aus.

Reichen 440 Milliarden Euro aus?

2,5 Prozent Schrumpfung statt 0,6 Prozent Wachstum: Das wird die Steuern dämpfen, die der Fiskus einzutreiben gedenkt, und die Zahl der Arbeitslosen erhöhen, für die er zu sorgen hat. Sprich: Das geht sich alles nicht aus. Und auch weitere Zahlen aus Athen wecken keine Zuversicht. Heuer soll die Staatsschuldenquote 161,8 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen, nächstes Jahr gar 172,7 Prozent. Die Arbeitslosenrate dürfte von heuer 15,2 auf 16,4 Prozent steigen. Und seit dem Jahr 2009 ist Griechenland in der Rezession.

Darum werden Europas Finanzminister bei ihrem monatlichen Treffen, das am Montagabend im Kreis der 17 Euroländer begann und heute, Dienstag, als volles Ministerratstreffen weitergeht, neue Wege ausloten müssen.

Eine brennende Frage dabei: Reichen die 440 Milliarden Euro, die das Eurorettungsvehikel EFSF (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität) an Notkrediten vergeben kann? Olli Rehn, der EU-Wirtschafts- und Währungskommissar, kündigte jedenfalls am Montag vage eine Debatte darüber an, wie sich die EFSF unter Einbeziehung der Europäischen Zentralbank flexibler gestalten ließe, um mehr Kredite lockerzumachen.

Der mögliche Ausweg

Um die wichtigste Frage drücken sich die Politiker derzeit noch: Wie lässt sich eine 50-prozentige Abschreibung der Staatsschuld am besten organisieren? Paradoxerweise liefern ausgerechnet die betrüblichen Zahlen aus Athen eine politische Bedingung für einen solchen Schuldenschnitt. Denn Griechenland könnte, sollten sich die Prognosen bewahrheiten, 2012 ein Primärdefizit von 3,2 Milliarden Euro erzielen (also vor Abzug der Zinsen für die bestehende Staatsschuld). Zum Vergleich: 2009, vor Beginn der mühseligen Reformen, legte der Athener Fiskus ein Primärdefizit von 24 Milliarden Euro hin. Vor diesem Hintergrund könnten Europas Politiker ihren Bürgern sagen: Seht, die Griechen sind auf dem Weg zur Tugend, und wenn wir ihnen die Altschulden teilweise erlassen, fällt auch die erdrückende Zinslast weg. Die EFSF könnte dann den privaten Gläubigern zum Marktpreis und für befristete Zeit die griechischen Anleihen abkaufen, die derzeit bei 35 bis 45 Prozent ihres Nennwerts gehandelt werden. So in den Besitz der griechischen Altschuld geraten, könnte die EFSF mit Athen einen teilweisen Schuldenerlass verhandeln – und den Griechen damit einen Neustart ermöglichen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2011)

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