Weißrussland: Zentralbank versteigert Büromöbel

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Der „letzten Diktatur Europas“ droht der Kollaps. Die Inflation rast dahin, heuer hat der Rubel gegenüber dem Euro fast 200 Prozent verloren. Präsident Alexander Lukaschenko reagiert mit wirrem Statement.

Wien. Die Nachricht klingt nach Satire, ist aber bitterer Ernst: Die weißrussische Zentralbank versucht derzeit, an Geld zu kommen, indem sie Büromöbel und anderes Inventar versteigert. Das berichtet die russische Nachrichtenagentur Interfax. Rund 500Artikel werden angeboten: Tresore, Fernseher, Koffer – aber auch eine Zuckerdose und ein gebrauchtes Diktafon aus japanischer Herstellung. Kaffeetassen mit passenden Untertassen sollen 3020 weißrussische Rubel kosten – etwa 25 Cent. Der Grund für den günstigen Tassenpreis: Der Rubel versinkt seit Jahresbeginn in der Inflation. Am Donnerstag musste die Notenbank nochmal abwerten: um 52Prozent. Damit hat der Rubel gegenüber dem Euro in diesem Jahr schon fast 200Prozent an Wert verloren.

Präsident Alexander Lukaschenko reagiert mit einem wirren Statement. Die Weißrussen müssten sich keine Sorgen machen, ließ er in einer Aussendung mitteilen. „Der Dollarkurs wird einbrechen. Offen gesagt haben wir bisher den hohen Dollarkurs geschützt.“ Die Weißrussen scheinen ihrem Präsidenten aber ohnehin nicht zu glauben und reagierten mit weiteren Hamsterkäufen. Der „letzte Diktator Europas“ ist tatsächlich persönlich verantwortlich für die Abwärtsspirale, in der Weißrussland sich befindet.

Seine Politik hat zur weiteren Verarmung der Bevölkerung geführt, zur Verknappung aller Güter, zum Währungskollaps und schließlich Lukaschenko selbst in die totale Abhängigkeit Russlands befördert. Dabei wollte Lukaschenko ursprünglich nur gut abschneiden bei den „Präsidentschaftswahlen“ im Dezember 2010. Dafür ließ Lukaschenko seine größten Rivalen verhaften und alle Staatsgehälter und Pensionen um 50Prozent anheben.

Tödliche Inflationsspirale

Damit hat er in seiner sowjetischen Planwirtschaft, wo 70Prozent des BIPs vom Staat produziert werden, eine gefährliche Inflationsspirale in Gang gesetzt, die sich bis heute dreht. Derzeit liegt die Inflation zwischen 40 und 80Prozent, genauere Angaben lassen sich seriöserweise nicht machen. In diesem Jahr absolvierte der Rubel die Stationen einer echten Hyperinflation:
•Nach den Lohnerhöhungen beginnen die Weißrussen, aus der eigenen Währung zu flüchten – sie kaufen US-Dollar im Wert von 700Millionen, und sie decken sich in weiterer Folge mit Gold ein: 680Kilo für fast 24Millionen Euro.
•Im April stoppt die Zentralbank den Verkauf von Gold an die Bevölkerung – erste Gerüchte über eine Währungsabwertung tauchen auf.
•Wochenlang beschwichtigt die staatliche Propaganda: Währung und Spareinlagen seien sicher. Dann wertet die Zentralbank den Rubel im Mai um fast 55Prozent ab. Auf einen Schlag verlieren die Weißrussen die Hälfte ihrer Kaufkraft.
•Weil Gold nicht mehr verfügbar ist und Dollar knapp werden, kaufen die Weißrussen nach der Abwertung alles, was seinen Wert wenigstens ein paar Jahre behält: Waschmaschinen und Kühlschränke sind vergriffen. Deos, Windeln und Shampoo werden laut russischen Medien knapp.
•Ende Mai führt Lukaschenko umfassende Preiskontrollen bei Nahrungsmitteln ein. Russland stellt einen Milliardenkredit aus dem Anti-Krisen-Fonds der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft (EAWG) in Aussicht. Bedingung: Privatisierungen in der Höhe von 7,5Milliarden Euro. Die erste 800-Millionen-Tranche dieses Drei-Milliarden-Dollar-Kredites wurde bereits überwiesen. Die zweite soll noch vor Jahresende in Minsk ankommen. Auch bekommt Weißrussland das Gas des großen Nachbarn in Zukunft günstiger. Im September wertet die Nationalbank den Rubel nochmal ab: dieses Mal um 60Prozent.

„Njet“ vom Währungsfonds

Als letzte Maßnahme greift Lukaschenko jetzt zum Terror: Neue Gesetze stärken den Geheimdienst KGB und vereinfachen Verhaftungen. Die Notenbank-Versteigerung hat bisher nur etwa 11.500Euro eingebracht– nicht annähernd genug. Weißrussland hat den IWF zuletzt um fünf Milliarden Euro Notkredit gebeten. Vom IWF gab es bisher aber nur ein „Njet“ und die Empfehlung, die Gehälter keinesfalls noch weiter anzuheben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2011)

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