EU-Gipfel auf des Messers Schneide

(c) AP (Martin Meissner)
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In wichtigen Punkten des geplanten Euro-Rettungspakets gibt es zwischen Berlin und Paris Uneinigkeit. Wird der griechische Schuldenschnitt aufgeschoben?

Paris/Berlin/Wien/Ag. Die Nerven liegen blank. Wenige Tage vor dem geplanten Euro-Schicksalsgipfel in Brüssel gibt es keine gemeinsame Linie der EU-Länder. Am Donnerstag war sogar eine Verschiebung des Gipfels im Raum gestanden, bevor die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel dementierte: Der Gipfel am Sonntag finde statt, es werde aber keine Einigung über die sogenannte „Hebelung" des Euro-Rettungsschirms EFSF geben, hieß es aus Berlin. Damit wackelt aber auch der geplante Schuldenschnitt für Griechenland.

Der Grund: Die beiden wichtigsten Euroländer sind sich uneins. Es geht dabei um den Einsatz des erweiterten Euro-Rettungsschirms EFSF. Dem Fonds stehen effektiv 440 Milliarden Euro zur Verfügung, Deutschland haftet mit 211 Milliarden. Um die Schuldenkrise endlich in den Griff zu bekommen, soll das Volumen künstlich ausgeweitet werden, ohne dass die Haftungen erhöht werden. Während Frankreich auf einer Banklizenz des Fonds beharrt, wehrt sich Deutschland vehement gegen diese Möglichkeit und hat auch die Europäische Zentralbank (EZB) hinter sich. Kanzlerin Angela Merkel plädiert für das sogenannte Versicherungsmodell: Dabei würde der EFSF bei der Ausgabe von Staatsanleihen durch ein Euroland eine Garantie übernehmen und auf diesem Weg mehr privates Kapital mobilisieren. Dies würde den Spielraum des EFSF ohne großes Risiko erhöhen. Eine Banklizenz hingegen würde dem Fonds eine Finanzierung über die Notenbank ermöglichen, wodurch auch die EZB betroffen wäre.

Extra-Gipfel kommende Woche?


Am Mittwochabend ging ein eilig einberufenes Krisentreffen zwischen Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, an dem auch EZB-Präsident Jean-Claude Trichet und Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker teilnahmen, ohne Ergebnis zu Ende. Da es keine Annäherung gab, schloss die deutsche Bundesregierung einem Bericht der Zeitung „Die Welt" zufolge zunächst auch eine Verschiebung des EU-Gipfels nicht aus. Der findet jetzt zwar statt. Paris und Berlin planen nun aber einen Extra-Eurozonen-Gipfel für „spätestens Mittwoch" kommender Woche, teilten die Regierungen übereinstimmend mit. Die Angst um die Terminverlegung ließ die US-Börsen mit Verlusten in den Handel starten.

Uneinigkeit über Bankenhilfe


Dazu kommt, dass auch andere wichtige Fragen, die das Gesamtpaket zur Lösung der Schuldenkrise umfassen soll, noch ungeklärt sind: So sollen die Staats- und Regierungschefs der 17 Euroländer bei ihrem Treffen auch über eine weitere Bankenhilfe als Vorbereitung für einen Schuldenschnitt Griechenlands beraten. In den letzten Wochen ist stets von einem Schuldenerlass bis zu 60 Prozent die Rede gewesen.

Doch auch in dieser Frage gibt es zwischen Berlin und Paris keine Einigkeit. Während Merkel die Banken und Versicherungen notfalls zu einem Schuldenverzicht zwingen will, fordert Sarkozy eine sanftere Vorgangsweise.

Ein Schuldenerlass für Griechenland würde nämlich die französischen Banken besonders betreffen. Die Ratingagentur „Moody's" hat Frankreich bereits gewarnt, dass es demnächst seine Bestnote „AAA" verlieren könnte.

Je nach Höhe des sogenannten Haircut für Griechenland fiele auch der Finanzbedarf für die europäischen Banken aus. Einem Bericht der „Financial Times" zufolge rechnet die EU mit etwa 80 Milliarden Euro, die die europäischen Finanzinstitute benötigen werden. Sollten sich die Banken dieses Geld nicht von den Märkten beschaffen können, müssten die Nationalstaaten einspringen. Ist auch das nicht möglich, bliebe als letzte Möglichkeit noch der Rettungsschirm EFSF - ein Szenario, das Deutschland verhindern will.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2011)

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