Schuldenkrise: Noch zehn Jahre Griechen-Hilfe

Schuldenkrise Noch zehn Jahre
Schuldenkrise Noch zehn Jahre(c) EPA (OLIVIER HOSLET)
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Griechenlands Gläubiger müssen in der Schuldenkrise auf mindestens die Hälfte ihrer Forderungen verzichten, weil Athen seine Reformen nur schleppend umsetzt und die Konjunktur sich verschlechtert.

Im Juli gab sich Evangelos Venizelos, der Finanzminister Griechenlands, zuversichtlich: Sein Land werde wie versprochen Mitte 2014 an die Kapitalmärkte zurückkehren, also keine Kredite von den anderen Euroländern und dem Internationalen Währungsfonds benötigen, sagte er damals zur Nachrichtenagentur Reuters.

Nach zähen Verhandlungen der europäischen Finanzminister in Brüssel, die am Freitagnachmittag begannen und am Samstag zu Redaktionsschluss der „Presse am Sonntag“ noch immer liefen, steht fest: Das geht sich nicht aus. Die Griechen werden ihren Staat noch mindestens ein Jahrzehnt lang nur mit fremder Hilfe finanzieren können. Die Banken müssen auf 40 bis 60 Prozent ihrer Forderungen gegen Athen verzichten, um die Schuldenquote des Balkanlandes von derzeit mehr als 160 Prozent auf handhabbare rund 120 Prozent zu senken. Und all das wird teurer als geplant.

Mindestens 114 Milliarden Euro an öffentlichen Geldern wird das zweite Griechenland-Paket kosten, statt wie bisher vermutet 109 Milliarden Euro. Das hat die sogenannte „Troika“ aus Experten der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des IWF errechnet. Allerdings gilt dieser Betrag nur dann, wenn die Banken tatsächlich 50 Prozent ihrer griechischen Bonds als verloren abschreiben. Wie man diesen unfreiwillig freiwilligen Forderungsverzicht einfädelt, ohne in den gestrengen Augen der Kreditratingagenturen die Bedingungen einer Staatsinsolvenz Griechenlands zu erfüllen, lässt die Köpfe der Finanzminister und ihrer Berater qualmen.


Banken kommen zum Handkuss.
Bildlich gesprochen wird der griechische Patient zwar noch lange nicht geheilt, aber zumindest aus dem Operationssaal auf die Intensivstation verlegt. Denn die Banken werden auf jeden Fall deutlich mehr zur Bewältigung der Schuldenkrise beitragen müssen als sie am 21. Juli zugesagt hatten. Damals hatten sie sich bei einem Sondergipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Euroländer bereit erklärt, auf 21 Prozent ihrer griechischen Forderungen zu verzichten. Weil rund die Hälfte der Staatsschuld bereits von der EZB, dem IWF und dem Euro-Rettungsvehikel EFSF lagert, hätte das Angebot der Banken die Schuldenquote nur um rund zwölf Prozent gesenkt. Das ist zu wenig, um Griechenland in die Lage zu versetzen, seinen Schuldenberg irgendwann aus eigener Kraft zu verringern. Daher hätten sich die Finanzminister nun geeinigt, dass es „eine erhebliche Anhebung des von den Banken zu übernehmenden Beitrags geben sollte“, sagte Jean-Claude Juncker, Luxemburgs Ministerpräsident und Vorsitzender der Euro-Gruppe, also der 17 Finanzminister der Euroländer.

Die Banken kommen noch auf eine weitere Weise zum Handkuss. Die Finanzminister einigten sich auch darauf, dass die 83 wichtigsten Kreditinstitute Europas neun Prozent supersicheres Kernkapital in ihren Büchern halten müssen. Das soll die Spekulationen über einen zweiten europäischen Bankenkrach binnen drei Jahren beenden. Nicht alle Banken können die Neun-Prozent-Hürde überspringen, zeigte ein „Blitz-Stresstest“ der Europäischen Bankenaufsicht. Die Finanzminister folgerten daraus, dass europaweit rund 100 Milliarden Euro an frischem Kapital für die Banken nötig sei. Dieses solle, wie seit Wochen gebetsmühlenartig von allen Verantwortlichen vorgetragen, zuerst von den Eigentümern der Banken eingeschossen werden. Können sie dies nicht, sollen die jeweiligen Staaten einspringen und nur in letzter Not die EFSF.

Und hier liegt das große Problem, mit dem sich heute, Sonntag, die Staats- und Regierungschefs befassen müssen: Was tun, wenn diese staatliche Bankenhilfe Frankreich so überfordert, dass es um Hilfe bei der EFSF anklopfen muss? Wie setzt man dann ihre 440 Milliarden Euro als Hebel für noch mehr Geld ein? Ein Banklizenz für die EFSF, damit sie sich bei der EZB Geld holen kann, wie sich das Paris wünscht, ist vom Tisch.

Evangelos Venizelos, der Finanzminister des griechischen Dauerpatienten, gab sich jedenfalls am Samstag bemerkenswert entspannt: „Griechenland“, diktierte er den versammelten Journalisten, „ist jedenfalls kein zentrales Problem für die Eurozone.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2011)

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