Ein später Schuldenerlass für Griechenlands Neubeginn

(c) EPA (ORESTIS PANAGIOTOU)
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2020 soll die Schuldenquote auf 120 Prozent sinken. Parallel werden Reformen strenger kontrolliert. Noch mindestens zehn Jahre lang wird Athen von Hilfskrediten der anderen Euroländer und des IWF abhängig sein.

Der Eurogipfel in der Nacht auf Donnerstag brachte nach 22 Monaten den lang ersehnten Durchbruch in der griechischen Krise. Auch wenn zahlreiche technische Details, zum Beispiel die Laufzeit von neuen Anleihen zur Umschuldung, in den nächsten Wochen auf Expertenebene festgelegt werden müssen, stehen drei wichtige Ergebnisse fest:

Erstens erklären sich Griechenlands private Gläubiger, vertreten durch die Bankenlobby International Institute of Finance, bereit, auf 50 Prozent ihrer Forderungen zu verzichten. Zweitens soll dadurch die griechische Schuldenquote im Jahr 2020 nur mehr 120P rozent betragen (gemessen an der jährlichen Wirtschaftsleistung). Derzeit liegt sie schon bei 160 Prozent. Täte man nichts, würde sie bald an die 200-Prozent-Grenze reichen. Drittens gewähren die Euroländer bis 2014 weitere 100 Milliarden Euro an Krediten sowie 30 Milliarden Euro, um den Umtausch alter griechischer Anleihen gegen neue zum halben Nennwert für die Banken schmackhaft zu machen. Eine Reihe von Fragen lässt sich damit schon jetzt in Grundzügen beantworten:

Reicht der Verzicht der Privatgläubiger auf 50 Prozent ihrer Forderungen?

Für sich allein nicht. Denn die Finanz- und Schuldenkrise hat Griechenland wirtschaftlich extrem stark zurückgeworfen. „Eine so schwere Rezession wie seit 2009 in Griechenland hat es seit dem Zweiten Weltkrieg in keinem westlichen Land gegeben“, sagte Volkswirt Christian Schulz von der Berenberg-Bank zur „Financial Times Deutschland“ (Donnerstagsausgabe). Seit dem Jahr 2008 ist die griechische Wirtschaftsleistung um rund 13Prozent gesunken. Erst für 2013 ist nach Schätzung von Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB) wieder mit Wachstum zu rechnen. Noch mindestens zehn Jahre lang wird Athen von Hilfskrediten der anderen Euroländer und des IWF abhängig sein. Doch der Schuldenschnitt hat einen großen Nutzen. Er ermöglicht es den Griechen, gegen 2021 wieder selbst auf die Märkte zu gehen und sich eigenverantwortlich zu leistbaren Zinssätzen zu refinanzieren, sofern sie bis dahin glaubwürdige Strukturreformen und Primärüberschüsse im Budget erzielen (also vor Zahlung von Zinsen).

Müssen auch die Steuerzahler für Griechenlands Umschuldung aufkommen?

Ja und nein. Ja, weil auch die künftigen 100Milliarden Euro, welche die Euroländer jetzt über den Euroschutzschirm EFSF an Athen überweisen wollen, dadurch aufgebracht werden, dass die EFSF gegen Garantien der anderen Euroländer Anleihen begibt. Das schafft natürlich das Risiko, dass Griechenland trotz aller Hilfe diese Kredite nicht zurückzahlen kann. Doch der jetzige 50-prozentige Forderungsverzicht betrifft nur die Privatgläubiger. Bisher haben die Euroländer also noch kein Geld verloren.

Die Griechen-Krise dauert 22 Monate. Wieso schuldet man erst jetzt um?

Weil man die Krise zu lange für ein Liquiditätsproblem hielt und nicht für ein Solvenzproblem. Europas Politiker glaubten, dass Athen zahlungsfähig sei, es den Griechen aber bloß wegen vorübergehend ungünstiger Bedingungen auf den Anleihemärkten an flüssigen Mitteln fehle. Diese Liquiditätskrise wollte man mit dem ersten, 109-Milliarden-Euro-Programm überwinden. Doch rasch stellte sich heraus, dass Griechenland zumindest einen Teil seiner Schulden nie aus eigener Kraft wird bezahlen können.

Was kostet all das die österreichischen Steuerzahler?

Aus dem ersten Paket sind von den Euroländern 47,1 Milliarden Euro nach Athen geflossen. Am Wochenende gaben sie weitere 5,8Milliarden Euro frei. Österreichs Anteil daran ist 2,3Milliarden Euro. Der Anteil an Garantien für die gesamte EFSF, die das neue Programm finanzieren wird, liegt bei 21,6Milliarden Euro. Aber wie gesagt: Griechenland beginnt erst in einigen Jahren, diese Kreditraten zurückzuzahlen. Bisher ist also noch kein Steuergeld verloren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2011)

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