EFSF: 1400 Milliarden Euro geballte Feuerkraft

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Der Nutzen des EFSF-Hebels. Der 440 Milliarden Euro starke Schutzschirm wird nach deutschem Wunsch als Versicherung für Anleihenverluste wirken und so eine größere Wirkung erzielen.


Panzerfaust, nukleare Option, Schutzwall: Der Wortschatz der europäischen Staatsschuldenkrise mutet bisweilen ziemlich militärisch an. Dabei geht es bei der Erweiterung der Kapazitäten des Euro-Rettungsschirms EFSF, welche die Staats- und Regierungschefs der 17 Euroländer in der Nacht auf Donnerstag bei ihrem Brüsseler Euro-Gipfel beschlossen, im Kern um eine rein finanzmathematische Überlegung: Wie kann man mit dem Einsatz von 440 Milliarden Euro möglichst hohe weitere Geldsummen in Bewegung setzen?

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Die Lösung: Man setzt dieses Geld, das der EFSF (Europäische Finanzstabilitätsfazilität) für die Abwehr und Beilegung von Schuldenkrisen in der Eurozone zur Verfügung hat, als Versicherung für den Kauf von Staatsanleihen von Euroländern ein. Das könnte eine Hebelwirkung mit dem „Faktor 4 oder 5" bewirken, heißt es in der Erklärung des Euro-Gipfels. Abzüglich des Geldes, das die EFSF bereits für die Hilfsprogramme in Irland, Portugal und demnächst Griechenland ausgibt, käme man laut dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy also durchaus auf 1,4 Billionen Euro.
Die Idee dahinter: Wenn ein Euroland an den Finanzmärkten unter den Druck kommt, weil die Anleger seiner langfristigen Zahlungsfähigkeit misstrauen und seine Bonds nicht kaufen wollen, könnte die EFSF das Vertrauen ebendieser Anleger steigern, indem sie zumindest einen Teil der Anleihen gegen Zahlungsausfall versichert. Wer diesfalls also zum Beispiel italienische Anleihen zum Nennwert von 100.000 Euro kauft, bekäme, zehn, 15 oder 20 Prozent dieses Betrages von der EFSF versichert. Je mehr Anleger sich davon überzeugen lassen, desto tiefer fiele der Zinssatz aus, den das betreffende Land leisten muss. Und das könnte Schuldenkrisen schon vorab abwenden. Die technischen Details dieser „Hebelung" der EFSF stehen noch aus, so zum Beispiel die Frage, für welches Euroland die EFSF welches Risiko übernehmen wird. Diese Leitlinien werden im Lauf des November beschlossen. Schon jetzt lassen sich aber einige wichtige Fragen klären:

Warum ist dieser Hebel für die EFSF überhaupt nötig?
Weil die Europäer zu der bitteren Einsicht gekommen sind, dass die Schuldenkrise nicht nur kleine randständige Länder wie Griechenland, Portugal oder Irland in die faktische Zahlungsunfähigkeit reißen kann, sondern auch Schwergewichte wie Italien oder Spanien. Im Sommer, als Europas politische Führer zögerten und zauderten, geriet sogar Frankreich wegen seiner zweifelhaften Haushaltspolitik ins Visier der Kreditratingagenturen und Finanzspekulanten. Spätestens, als das AAA-Rating für französische Staatsanleihen wackelte, war klar: die 440 Milliarden Euro, welche die EFSF gegen Garantien der Euroländer an den Märkten aufnehmen kann, sind zu wenig. Klar war aber auch: Mehr als 440 Milliarden Euro wird dieses Vehikel mit Sitz in Luxemburg nicht bekommen. Das würde die angespannten Budgets selbst stabiler Euroländer überfordern. Und es wäre vor allem in Deutschland, das rund ein Viertel der Zeche zahlt, politisch nicht durchzusetzen gewesen. So kam man auf die Idee, die bestehenden Garantien möglichst wirksam einzusetzen - sie also zu „hebeln".

Wird die Europäische Zentralbank (EZB) dafür gerade stehen?
Ja und nein. Sie verleiht der EFSF zwar keine Banklizenz, wie das Frankreich wünschte. Diesfalls hätte die EFSF sich direkt bei der EZB refinanzieren können - ein Bruch des EU-Vertrages, demzufolge die Notenbank keine Defizite finanzieren darf. Die EZB wird aber weiterhin auf dem Sekundärmarkt Staatsanleihen kaufen. Das wird denselben Zweck erfüllen, wie ihn die EFSF-Versicherung im Auge hat: Also für genügend Nachfrage nach europäischen Staatsbonds sorgen. Ob und in welchem Ausmaß das zum ungestümen Schuldenmachen verleitet und die Teuerung antreibt, ist unter Ökonomen umstritten. In der Kerninflationsrate der Eurozone spiegelt es sich jedenfalls nicht wider.

Welche Rolle hat die EFSF bei der
Griechenland-Umschuldung?

Eine wichtige. Sie wird für alle 100 Euro alter griechischer Schuld, die ein privater Anleger gegen neue, halb so hoch denominierte Anleihen tauscht, mit 15 Euro garantieren. Für dieses „Credit Enhancement" sind in insgesamt 30 Milliarden Euro vorgesehen. Das soll den Schuldentausch künftig attraktiver machen.
Versuchen die Europäer, noch zusätzliches frisches Geld aufzutreiben?
Ja. Sie haben auch beschlossen, Zweckgesellschaften zu gründen, in denen „Mittel von privaten und öffentlichen Finanzinstituten und Anlegern kombiniert werden", wie es in der Gipfelerklärung heißt. Heute, Freitag, stellt EFSF-Chef Klaus Regling den chinesischen Managern staatlicher Fonds in Peking dieses Modell vor.

Was verlangt China im Gegenzug für seine finanzielle Unterstützung?
Ausdrücklich und öffentlich nichts. Aber klar ist, dass China nicht bloß europäische Staatsanleihen als Mittel sucht, um sich bei der Veranlagung seiner Fremdwährungsreserven vom US-Dollar zu lösen. Die Menschenrechtspolitik, das EU-Embargo von Rüstungsexporten oder der Status als Marktwirtschaft, der es schwerer machen würde, im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO Anti-Dumping-Verfahren gegen China zu eröffnen, sind Spielsteine in Chinas strategischen Überlegungen.

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