Europas verzweifelte Suche nach frischem Geld

(c) Dapd (Berthold Stadler)
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Rettungsschirm soll bis zu 1,4 Billionen Euro aufbringen. Aber woher soll das Geld kommen? Brasilien, England und Norwegen winken ab. China verlangt Gegenleistungen und ein Ende der Bürgerproteste in Europa.

Wien. Drei Tage nach dem Gipfel von Brüssel tauchen Zweifel an der neuesten Version der „Eurorettung“ auf. Die Europäische Finanzstabilitätsfazilität (EFSF) ist mit dem nun beschlossenen „Hebel“ wohl endgültig zur „kompliziertesten Kreditlösung aller Zeiten geworden“, wie Beobachter meinen. Und selbst wenn dieser Rettungsschirm so funktionieren kann, wie sich die Regierungschefs das vorstellen, bleibt umstritten, ob das Konstrukt in der Lage ist, die Eurokrise wirklich zu beendenden. Bisher ist nämlich noch nicht klar, woher das Geld für die Ausweitung des Schirms kommen soll.

Denn: Der „Hebel“ ist kein Hebel. Das Wort stammt aus einem früheren Plan, wonach die EFSF eine Banklizenz erhalten sollte. Ein Wunsch Frankreichs. Weil so eine Banklizenz der EFSF aber de facto auch die Lizenz zum „Gelddrucken“ gegeben hätte, hat Deutschland den echten „Hebel“ blockiert. Nun sollen die 440 Milliarden Euro Kapital nicht gehebelt, sondern mit der Hilfe externer Investoren vervielfacht werden – auf bis zu 1,4 Billionen Euro. Im Klartext: Die EU ist auf der Suche nach Geldgebern.

Wenn diese Suche misslingt, könnte die Europäische Zentralbank (EZB) wieder unter Druck geraten, Staatsanleihen mit frisch gedrucktem Geld zu kaufen. Deutschland will eine verstärkte Monetisierung von Staatsschulden durch die EZB unbedingt verhindern – aus Inflationsangst. Die Kandidatenliste von möglichen Geldgebern der EFSF ist allerdings nicht allzu lang. Und die Skepsis ist groß. Am Freitag war EFSF-Verwalter Klaus Regling in China, um dort Geld für den Schirm zu erbitten. Das asiatische Land verfügt über gewaltige Währungsreserven in der Höhe von etwa 2300 Milliarden Euro. In Peking ist man vorsichtig – vor allem die Zentralbank steht einem Engagement in Europa skeptisch gegenüber: „Das letzte, was China will, ist, den Reichtum des Landes wegzuwerfen und als dumme Geldquelle ausgenutzt zu werden“, sagte der Notenbanker Li Daokui der „Financial Times“.

Von China seien höchstens 100 Milliarden Dollar Hilfen zu erwarten. Und nur dann, wenn Europa die Unterstützung seiner Bevölkerung für die Politik gewinnen kann. „Wenn wir die ganze Zeit Proteste und Chaos sehen, dann wird China kein Vertrauen in Europas politische Fähigkeiten haben.“ Auch andere Staaten halten sich zurück. Brasilien hat schon abgewunken, Russland und Indien sind skeptisch. Und Norwegen ließ die EU am Freitag wissen, dass sein 400-Milliarden-Euro-Pensionsfonds sich nicht an der neuen EFSF beteiligen wird.

Cameron: „Ständige Attacken aus Brüssel“

Die neueste Abkürzung im Euro-Rettungsprogramm verursacht bisher erstmal diplomatische Probleme. Ein „SPV“ (Special Purpose Vehicle, etwa „Vehikel mit Spezialaufgaben“) könnte den Rettungsschirm mit Geldern des Internationalen Währungsfonds (IWF) versorgen, die wiederum von den IWF-Mitgliedern kommen würden. China verlangt dafür aber mehr Macht im IWF. Großbritannien will dieser Möglichkeit überhaupt einen Riegel vorschieben. „Weder der IWF noch Großbritannien werden in den neuen Rettungsfonds einzahlen“, sagte Schatzkanzler George Osborne am Donnerstag. Am Freitag machte Premierminister David Cameron seinem Ärger erneut Luft: Der Finanzplatz London sei „unter ständigen Attacken“ durch Richtlinien aus Brüssel, sagte er der Tageszeitung „Telegraph“.

Wenn Staaten nicht helfen wollen, oder zu wenig Geld zu Verfügung stellen, muss die EFSF private Investoren überzeugen. Aber auch dort ist die Skepsis groß. Bill Gross, Pimco-Gründer und Manager des größten Pensionsfonds der Welt, warnte Investoren, in ein „gigantisches Investment-Vehikel mit erhöhtem Risiko“ zu investieren. Und Goldman Sachs meint in einer Stellungnahme, dass eine Abstufung Frankreichs den ganzen Plan zunichte machen könnte und die durch die EFSF „versicherten“ Staatsanleien mancherorts von den Behörden als Kreditderivative eingestuft werden könnten – was Investments zusätzlich erschweren würde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2011)

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