Griechen fühlen sich stigmatisiert statt erleichtert

(c) AP (Thanassis Stavrakis)
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Der Schuldenschnitt belastet auch Versicherungen und Banken in Griechenland. Die Angst vor einer Dekade der Rezession und Armut hat die Gesellschaft erfasst. Die Wirtschaft müsste dringend angekurbelt werden.

Athen. Griechenlands Premierminister Georgos Papandreou hat den Schuldenschnitt nach dem EU-Krisengipfel am Mittwoch als Neubeginn gefeiert. Doch die meisten Griechen empfinden ihn als bittere Niederlage, als ein Versagen, das mit ihren harten Opfern der vergangenen eineinhalb Jahre hätte verhindert werden sollen. Die Angst vor einer Dekade der Rezession und Armut hat eine Gesellschaft erfasst, die mit dem Stigma des „kontrollierten Staatsbankrotts“ wird leben müssen.

„Wir können den Politikern nicht mehr glauben“, sagt Stratos Sideris. „Wie oft hat uns die Regierung mit immer neuen Maßnahmen angeblich gerettet? Und nun sind wir doch bankrott, denn das bedeutet doch der Schuldenschnitt, machen wir uns nichts vor.“ Seine Freunde im Kaffeehaus, alle Rentner wie er, geben ihm recht, machen sich Sorgen um ihre Pension. Denn der „Haircut“ wird sich auch auf griechische Kredit- und Versicherungsinstitute auswirken, die die meisten der Staatsanleihen halten.

Aufschwung verzögert?

Auch der Aufschwung dürfte sich dadurch weiter verzögern. Strukturreformen verspricht Papandreou gebetsmühlenartig seit zwei Jahren. „Im ersten Jahr ist tatsächlich viel erreicht worden, doch danach ist der große Durchbruch ausgeblieben“, kritisiert der Chef-Ökonom der griechischen Eurobank, Gikas Hardouvelis. Dadurch verschleppe sich die Ankurbelung der Wirtschaft.

Nur wenn die Wirtschaft angekurbelt wird, kann aber der gewaltige Schuldenberg nachhaltig abgetragen werden. 2020 soll er dann von heute 160 Prozent des BIPs auf 120 Prozent gesenkt werden. Doch da lag die Staatsverschuldung bereits vor Ausbruch der Krise.

„Wozu sparen wir uns um unseren Wohlstand, unsere Pension und die Zukunft unserer Kinder, wenn wir nach zehn Jahren wieder am gleichen Punkt sein werden?“, ärgert sich Stratos Sideris.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2011)

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