Euro-Krisensitzung wegen griechischen Abstimmungsplänen

George Papandreou
George Papandreou(c) AP (Thanassis Stavrakis)
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Premier Papandreou will sein Volk über das EU-Hilfspaket abstimmen lassen. Der Vorschlag sorgt für heftige Kursstürze und Kritik. Die Ratingagentur Fitch sieht die Finanzstabilität in der Eurozone gefährdet.

Keine Woche nach dem Euro-Krisengipfel hat Griechenlands Regierungschef Giorgos Papandreou am Montag ein Referendum angekündigt. Die Bürger sollen befragt werden, ob sie den neuen Hilfszusagen der internationalen Geldgeber zustimmen wollten oder nicht. Details nannte der Premier nicht. Als Reaktion auf die Ankündigung rutschte der Euro deutlich ab, Bank-Aktien brachen ein. Für Mittwoch wurde im Rahmen des G-20-Gipfels ein Krisentreffen zwischen der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy und Spitzen von EU, EZB und Währungsfonds einberufen.

Ratingagentur warnt

"Die Ankündigung der Volksabstimmung über die Griechenland-Hilfe trifft die Märkte wie ein Bombeneinschlag", sagte ein Börsianer. Bis zu einem Votum der Griechen könnten Monate vergehen, da Gesetzesänderungen erst die Voraussetzungen schaffen müssten. Monate der Unsicherheit für die Märkte und des drohenden Stillstands, hieß es. Auch die Rating-Agentur Fitch ist skeptisch. Die Ankündigung würde die Finanzstabilität in der Eurozone gefährden. Die Entwicklung unterstreiche die Notwendigkeit, dass eine glaubwürdige Schutzmauer errichtet werden müsse, damit Griechenland nicht das Währungsgebiet anstecken und destabilisieren könne, ließ die Agentur ausrichten.

Eigene Parteimitglieder gegen Papandreou

Mittlerweile verliert Papandreou auch den Rückhalt in seiner eigenen Partei. Am Dienstag trat eine Abgeordnete der regierenden Sozialisten aus der Fraktion aus. Damit schrumpft Papandreous Mehrheit auf nur mehr 152 von 300 Sitzen. Vor der Volksabstimmung will der Ministerpräsident die Vertrauensfrage stellen. Sechs führende Mitglieder seiner sozialistischen Pasok-Partei forderten Papandreou der Nachrichtenagentur ANA zufolge am Dienstag zum Rücktritt auf. "Das Land braucht dringend eine politisch legitimierte Regierung", zitierte die Agentur aus einem Brief der sechs Politiker. Bei ihnen handelt es sich um Vertraute des früheren Ministerpräsidenten Kostas Simitis.

EU vertraut Griechenland weiterhin

Die EU hat allerdings ihr Vertrauen in den Willen Athens bekräftigt, Zusagen einzuhalten. "Wir haben vollstes Vertrauen, dass Griechenland seinen Verpflichtungen nachkommt, die es mit der Eurozone und der internationalen Gemeinschaft vereinbart hat", erklärten EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso am Dienstag in Brüssel. Die Pläne für eine Volksabstimmung habe die EU "zur Kenntnis genommen", hieß es in der Erklärung weiter.

Weniger glücklich wirkt Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker. "Der griechische Ministerpräsident hat diese Entscheidung getroffen, ohne sie mit seinen europäischen Kollegen zu besprechen", sagte er dem Radiosender RTL. "Das bringt große Nervosität und große Unsicherheit zu bereits bestehender großer Unsicherheit." Der britische Finanzminister George Osborne warnte vor einem Scheitern der Rettung Griechenlands. "Wir müssen an den Beschlüssen der Euro-Zonen-Länder von vergangener Woche festhalten."

Schlimmer Schlag für Frankreich

In der Nacht auf Dienstag rutschten Papiere der Commerzbank nach Sitzungsbeginn um 8,08 Prozent an das Dax-Ende, Anteile der Deutschen Bank knickten um 7,13 Prozent ein. Die Aktien der Aareal Bank brachen im MDax gar um um 12,80 Prozent ein. Der Dax rutschte inzwischen wieder unter die Marke von 6000 und zeitweise gar 5900 Punkten ab. Zuletzt verlor er 3,83 Prozent auf 5906,15 Punkte.

Noch härter als die deutschen Banken traf es Kredithäuser aus Frankreich: Der Kurs der Großbank Societe Generale fiel in der Früh an der Pariser Börse um 11,78 Prozent. Konkurrent BNP Paribas verlor um 9,71 Prozent, Credit Agricole um 9,62 Prozent. Am Handelsplatz in London geriet die Royal Bank of Scotland um 8,42 Prozent ins Minus. Barclays Capital verlor um 8,35 Prozent.

Die italienische UniCredit-Bank, zu der auch die österreichische Bank Austria gehört, geriet inzwischen um 7,37 Prozent ins Minus.

Arbeiten an zweitem Hilfspaket

Auch die Bundesregierung reagierte offensichtlich überrascht. Es handle sich um eine "innenpolitische Entwicklung in Griechenland, über die der Bundesregierung bisher keine offiziellen Informationen habe und die sie deswegen auch nicht kommentiere", teilte das deutsche Finanzministerium mit. Weiter hieß es, der Gipfel der Staats- und Regierungschefs der Eurozone habe in der vergangenen Woche "klare Erwartungen" formuliert. "Demnach soll das zweite Hilfspaket für Griechenland bis Ende diesen Jahres stehen. Daran arbeiten wir alle zur Zeit mit hoher Intensität."

Mit deutlichen Worten kommentierte auch Folker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank, die aktuelle Lage. Zwar sei die überwiegend negative Haltung der Griechen gegenüber dem verschärften Reformprogramm verständlich. "Sollten die Griechen Anfang 2012 aber immer noch diese Meinung vertreten, ist das Votum als Selbstmord aus Angst vor dem Tod zu klassifizieren", so der Experte. Eine Ablehnung würde zu "Chaos" führen, Hilfszahlungen wären nicht mehr möglich. Das zuletzt aufgeblühte "Pflänzchen der begründeten Hoffnung" sei jedenfalls neuen Gefahren ausgesetzt.

(Ag.)

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