Das brandgefährliche Pokerspiel des Papandreou

brandgefaehrliche Pokerspiel Georgios Papandreou
brandgefaehrliche Pokerspiel Georgios Papandreou(c) AP (Geert Vanden Wijngaert)
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Mit dem angekündigten Referendum will der Premier die Opposition zwingen, Farbe zu bekennen. Das Referendum soll Anfang Jänner durchgeführt werden – und im übrigen 110 Millionen Euro kosten.

Athen. Drei Worte waren es, die die griechische Presse am Dienstag beherrschten: „gefährlich“, „Poker“ und „Erpressung“. Es war die Reaktion auf die plötzliche Ankündigung von Ministerpräsident Georgios Papandreou, die gerade erst mühsam unter den Kreditgebern Griechenlands errungene Übereinkunft über einen Schuldenschnitt dem griechischen Volk zur Abstimmung vorzulegen. Als Ventil gedacht, das den Druck der Straße und der Opposition von der Regierungspartei nehmen soll, droht Papandreous Vorstoß zu seinem politischen Selbstmord zu werden. Ob Referendum oder Neuwahl – die Entwicklungen setzen die bisherigen Rettungsversuche des angeschlagenen Landes aufs Spiel.

Warum, so fragten sich die Griechen konsterniert, will Papandreou auf einmal eine Volksabstimmung über das, was er vor knapp einer Woche noch als „nationalen Neuanfang“ gefeiert hat? In mühevollen Verhandlungen auf mehreren EU-Gipfeln hatte man sich darauf geeinigt, dass Griechenland die Hälfte seiner Schulden erlassen werde, unter freiwilliger Beteiligung auch der privaten Gläubiger. Allerdings sahen nur die wenigsten Griechen darin einen Grund zum Feiern, da sie nur zu genau wissen, dass damit weitere Sparmaßnahmen verbunden sind.

Und noch mehr Sparen geht kaum mehr in einem Land, das immer weiter in die Rezession gezogen wird, in dem Arbeitslosigkeit und Geschäftsschließungen ganze Stadtviertel verarmen lassen. Fast täglich laufen die Menschen dagegen Sturm, mit Streiks und Demonstrationen. Sie wollte Papandreou einbinden, ihnen mit einem Volksentscheid den Wind aus den Segeln nehmen und sie auf den Sanierungskurs einschwören.

Papandreou braucht frische Legitimierung

Ebenso die Opposition, die Papandreou mit jedem seiner Versuche, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden, hat abblitzen lassen. Antonis Samaras, Führer der konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia, lehnt es ab, „den Fehlern des Sparprogramms“ zuzustimmen. Könnte er aber die europäische Orientierung, den Verbleib in der Eurozone ablehnen? Auf genau diese Frage dürfte ein Referendum hinauslaufen. Damit würde die Opposition gezwungen, Farbe zu bekennen. Ein klares Ja zu Europa von den Konservativen zu erpressen, darauf setzt Papandreou in seinem Poker.

Drittens braucht er eine frische Legitimierung auch in den eigenen Reihen. Vor eineinhalb Jahren war er mit 160 Abgeordneten ins Parlament eingezogen, inzwischen liegt er mit 152 nur noch um zwei Stimmen über der absoluten Mehrheit. Nach seiner Ankündigung des Referendums war erneut eine Abgeordnete zurückgetreten, sechs weitere haben in einem offenen Brief Papandreous Rücktritt und eine Regierung der „nationalen Wiedergeburt“ verlangt.

Das Referendum soll Anfang Jänner durchgeführt werden – und im übrigen 110 Millionen Euro kosten. Das sind drei lange Monate, in denen man den privaten Gläubigern wird erklären müssen, dass ihr freiwilliger Verzicht auf 50 Prozent der griechischen Schulden vorher noch von den Griechen gebilligt werden muss. Drei Monate, in denen wohl niemand in Griechenland investieren wird und drei Monate, die zur Zitterpartie für die Auszahlung der nächsten Kreditraten werden würden. Und was ist, wenn die Griechen mit „Nein“ stimmen? 58 Prozent sind laut jüngsten Umfragen mit der Vereinbarung des Schuldenschnitts nicht einverstanden. Was also, wenn sich das Land selbst aus der Eurozone katapultiert, es keine Gelder mehr erhält, zahlungsunfähig wird?

Auch innerhalb Pasok Ruf nach Neuwahl

„Das wäre eine Katastrophe“, sagt Chefökonom Jannis Stournaras. Derartige Themen dürfe man nicht dem Volk zur Abstimmung vorlegen, schon gar nicht einem so wütenden und verzweifelten, wie es die Griechen momentan seien. Dringend notwendig sei dagegen eine politische Führung, die einen Weg weise. Doch die ist ebenso wenig in Sicht wie eine Alternative zur Lösung der Schuldenkrise.

Papandreou stellt noch in dieser Woche die Vertrauensfrage im Parlament, am kommenden Freitag um Mitternacht will er sich von seiner hauchdünnen Mehrheit bestätigen lassen. Aber der Ruf nach Neuwahlen wird immer lauter, nicht nur seitens der rechten wie linken Opposition, sondern auch innerhalb der Reihen der sozialistischen Regierungspartei Pasok. Sollte Papandreou das Votum nicht überstehen und es zu einem vorgezogenen Urnengang kommen, wird auch eine neue Regierung vor genau demselben Dilemma stehen: Hilfskredite mit den dazugehörigen Auflagen oder Staatsbankrott und wohl – noch nie so laut diskutiert wie in den vergangenen zwei Tagen – Austritt aus der Eurozone. Damit aber steht auch insgesamt die europäische Orientierung des Landes auf dem Spiel.

Auf einen Blick

Griechenlands Premier Georgios Papandreou sucht gleich an zwei Fronten neue Legitimierung, an beiden ist es gleichermaßen gefährlich: Noch in dieser Woche stellt er die Vertrauensfrage im Parlament. Wegen des Absprungs einiger Abgeordneter ist seine Mehrheit derzeit aber nur hauchdünn. Ein Scheitern ist also keineswegs ausgeschlossen. Im Jänner soll dann die am Montag angekündigte Volksabstimmung über den Schuldenschnitt stattfinden. Derzeit sind fast 60 Prozent der Griechen gegen die Vereinbarung Athens mit der EU, sie fürchten vor allem die damit verbundenen weiteren Sparmaßnahmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.11.2011)

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