Wenn Griechenland den Euro verlässt

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Symbolbild(c) EPA (Karl-Josef Hildenbrand)
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Ein Nein beim Referendum über das Euro-Hilfspaket würde die griechischen Banken in die Pleite treiben. Eine ungeordnete Staatsinsolvenz würde drohen - und Österreichs Banken könnten neue Staatshilfe benötigen.

Wien/Brüssel. Die entscheidende Phase für die Zukunft Griechenlands und des Euro ist eingeläutet. Seit der Ankündigung des griechischen Premiers Georgios Papandreou, ein Referendum über das EU-Hilfspaket abzuhalten, wird ernsthaft über einen Euro-Austritt Griechenlands diskutiert.

Am Mittwochabend wurde Papandreou am Rande des G20-Gipfels in Cannes bedrängt, rasch und nicht erst im Jänner zu einem Volksentscheid zu kommen. Die nächste Acht-Milliarden-Tranche aus dem Hilfsprogramm ist freilich schon Mitte November fällig, ein Referendum vor diesem Termin nicht realistisch. Hochrangige Vertreter der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) nannten eine Auszahlung vor der Abstimmung "unrealistisch". Mit einem Stopp der Hilfen aber droht den Griechen endgültig die Zahlungsunfähigkeit.

„Rein rechtlich kann Griechenland nicht von sich aus den Euro verlassen, sondern nur die EU" - sowohl der Wirtschaftswissenschaftler und Wifo-Experte Fritz Breuss als auch hochrangige Beamte des Finanzministeriums weisen in Gesprächen mit der „Presse" auf diese rechtliche Hürde hin. Ein Ausweg wäre, so Breuss, dass Athen die „Entlassung aus der Eurozone beantragt", das wäre völkerrechtlich möglich, wenn alle EU-Staaten zustimmten.

Doch was wären die wirtschaftlichen Folgen?

•Run auf Banken
Die unmittelbare Folge eines Nein der Griechen zum Rettungspaket wäre ein Run auf griechische Banken. Denn die Griechen würden versuchen, ihren harten Euro in Sicherheit zu bringen, bevor die weiche Drachme zurückkehrt. Dieser Sturm der Sparer könnte schon vor einem Referendum einsetzen, wenn sich ein Nein abzeichnet, sagt Daniel Gros, Leiter des Centre for European Policy Studies in Brüssel, zur „Presse“. Gros hat berechnet, dass die Kapitalflucht aus Griechenland derzeit ähnlich stark ist wie in den drei, vier Monaten vor Argentiniens Zahlungsausfall im Jahr 2001. Wenn sich dieser Fluss beschleunigt, steht die Europäische Zentralbank (EZB) vor der Wahl: Öffnen wir die Schleusen weiter oder nicht? Wenn ja, leiht die EZB den griechischen Banken rund 160 Milliarden Euro. Wenn nicht, sind die Banken bankrott. Und dann wird man sich sagen: So hat das keinen Sinn mehr. „So ein Szenario ist wahrscheinlich“, warnt Gros.


•Ungeordnete Pleite
Mit einem Nein der Griechen steigt laut den Experten des Wifo sowie des Finanzministeriums die Gefahr einer „ungeordneten Pleite“. Griechische Banken würden zusammenbrechen. Der Staat könnte seine laufenden Ausgaben wie die Gehälter von Staatsbediensteten nicht mehr zahlen. Eine ungeordnete Pleite würde dazu führen, dass nicht nur, wie im letzten Hilfspaket vereinbart, die Banken auf einen Teil ihrer Forderung an den griechischen Staat verzichten müssten. Auch die EZB und die Eurostaaten kämen zum Handkuss. Im Falle von Österreich stünden rund 1,4 Milliarden Euro, die bisher an Athen als Kredit überwiesen wurden, zur Disposition. Dazu kämen Folgekosten für heimische Banken. Laut Breuss könne eine Griechenland-Pleite in Österreich ein neues Bankenhilfspaket notwendig machen.

•Einfluss auf Realwirtschaft
Ein Zahlungsausfall würde einen „Rattenschwanz an Ereignissen hervorrufen, weil ein solches Szenario nicht nur direkten Einfluss auf Banken, sondern auch auf Staaten und die Realwirtschaft hat“, sagt Wifo-Experte Stefan Ederer. „Das würde die Problemlösungskapazität der EU übersteigen und große Unsicherheit hervorrufen. Die Eurozone würde insgesamt in eine Rezession schlittern.“ In weiterer Folge wäre die Ansteckungsgefahr für andere Euroländer, die ohnehin schon schwächeln, enorm, sagt Ederer. Noch größer wären die Auswirkungen, wenn es gar zu einem Bruch der Eurozone in eine Hartwährungs- und eine Weichwährungszone käme.

•Folgen für Österreich
Wenn allein Griechenland pleiteginge und aus dem Euro austräte, wären die Folgen für Österreich „überschaubar“, ist Breuss überzeugt. „Dramatisch“ wäre es allerdings, wenn andere Euroländer folgten oder die Eurozone sogar zerbräche. Dann wäre auch der EU-Binnenmarkt in Gefahr: „Österreich würde deutlich an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.“ Die Leistungsbilanz, die sich nach dem Eurostart für Österreich verbessert hat, würde sich wieder verschlechtern. Die Wirtschaftspolitische Abteilung des Finanzministeriums rechnet in diesem Fall mit Folgekosten für Österreich von bis zu 40 Milliarden Euro. „Eine Schätzung, die vor allem die Dimensionen eines solchen Ereignisses zeigen soll“, heißt es aus dem Ministerium. Für Breuss ist diese Zahl zu hoch gegriffen.

Refinanzierung gestoppt
Für Griechenland hätten eine ungeordnete Pleite und ein Austritt aus dem Euro auch langfristige Folgen für die Refinanzierung des Staates. Denn damit könnte Athen auf längere Sicht keine Anleihen mehr auf den Finanzmärkten platzieren. „Die Finanzmärkte verzeihen nicht“, warnt Breuss. Es würde lange dauern, bis das Land wieder ihr Vertrauen zurückgewinnt. Positiv wäre für Griechenland einzig, dass es seine Wettbewerbsfähigkeit durch Abwertung der eigenen Währung verbessern könnte.

Auf einen Blick

Austritt aus dem Euro. Der EU-Vertrag sieht in Artikel 50 einen freiwilligen Austritt eines Mitgliedstaates vor. Allerdings ist kein Teilaustritt aus dem Euro möglich. Auch ein Ausschluss wegen zu hoher Schulden hat keine rechtliche Basis. Völkerrechtlich wäre das laut Experten nur durch eine einvernehmliche Lösung möglich. Athen müsste einen Austritt beantragen, dem dann alle anderen zustimmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2011)

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