Hellenische Sorgen überschatten das Gipfeltreffen der G-20

(c) AP (Yves Logghe)
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Eigentlich wollte Gastgeber Nicolas Sarkozy sich beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs der G-20 in Cannes als "Weltenlenker" präsentieren. Nun dürfte es unangenehme Fragen wegen Griechenland geben.

Wien/Reuters/Jaz. Der griechische Ministerpräsident Georgios Papandreou dürfte zurzeit ziemlich froh darüber sein, dass sein Heimatland nicht Mitglied im Klub der 20 größten Industrie- und Schwellenländer ist. Denn ansonsten müsste er sich beim heute, Donnerstag, in Cannes beginnenden Gipfel der Staats- und Regierungschefs der G-20 viele unangenehme Fragen gefallen lassen. Von denen gab es schon beim EU-internen Vorabgipfel genug, der Mittwochabend in Cannes stattfand (siehe Seite 1).

Auch international kritisierten viele Regierungsvertreter im Vorfeld des G-20-Treffens die überraschende Ankündigung Papandreous, eine Volksabstimmung über das Rettungspaket durchführen lassen zu wollen. „Jeder ist verwirrt“, meinte etwa der japanische Finanzminister Jun Azumi über die griechische Politik, die weltweit Börsen auf Talfahrt schickte. Und der indische Finanzminister Pranab Mukherjee dämpfte die Erwartungen der Europäer, dass sich die Schwellenländer am Kauf europäischer Staatsanleihen beteiligen würden: „Die Europäer müssen zuerst ihre Probleme lösen. Erst dann kann eine ergänzende Finanzierung erwogen werden.“

Ein besonders großer Rückschlag ist dies für den Gastgeber, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy. Er wollte sich bei dem lange vorbereiteten Gipfel als „Weltenlenker“ und „Lösungsbringer“ präsentieren. Dies hätte nicht zuletzt auch seine Chancen bei der französischen Präsidentenwahl, die in fünf Monaten stattfindet, deutlich erhöhen sollen. Nun zwingt der Schritt des griechischen Premiers, der mit den anderen EU-Ländern nicht vorab abgesprochen war, Sarkozy dazu, die Kritik der anderen Staatschefs an der Krisenstrategie der EU abzuwehren.

Das ist auch ein Symbol für die zunehmende Machtverschiebung innerhalb der G-20. Entstanden ist diese lose Länderzusammenkunft vor einigen Jahren, indem sich die reichen und mächtigen G-7 mit den armen und schwachen Schwellenländern an einen Tisch setzten, um diesen die Möglichkeit zur Mitsprache zu geben. Inzwischen treiben die Schwellenländer mit hohen Wachstumsraten die kriselnden Industrieländer vor sich her, während Letztere um frisches Geld aus den Devisenreserven von China und Co. betteln.

„Reiche“ Industriestaaten im Fokus

Die Schuldenkrise der „reichen“ Industrienationen dürfte somit das Hauptthema des zweitägigen Treffens bleiben und die geplante Agenda in den Hintergrund drängen. Eigentlich wollte Sarkozy Themen wie die von ihm seit dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 geforderte stärkere Regulierung der Finanzmärkte forcieren. In diesem Zusammenhang wollten er und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel auch einen neuerlichen (kontinental-)europäischen Vorstoß für eine globale Finanztransaktionssteuer setzen. Eine solche Steuer wird bisher vor allem von den USA und Großbritannien abgelehnt.

Ebenfalls auf der Themenliste für den G20-Gipfel steht die Diskussion über mögliche Insolvenzen von großen Finanzinstituten, die als „too big to fail“ gelten. Die Politiker wollen darüber beraten, wie solche Banken in die Pleite geschickt werden können, ohne dass es zu einer neuerlichen Eruption im globalen Finanzsystem kommt – wie das nach dem Bankrott der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 der Fall war.

Zu guter Letzt sollten auch die volatilen Rohstoffpreise und deren Auswirkungen auf die Nahrungsmittelversorgung in vielen Ländern besprochen werden. Beobachter erwarten jedoch, dass es bei diesem wie bei den anderen Themen zu keinen wirklichen Fortschritten kommen wird.

Auf einen Blick

Die Staats- und Regierungschefs der G20 treffen sich ab heute, Donnerstag, für zwei Tage im französischen Cannes. Gastgeber Nicolas Sarkozy wollte eigentlich die Regulierung der Finanzmärkte forcieren. Hauptthema des Treffens dürfte aber die Schuldenkrise Europas und die mangelnde Lösungskompetenz der EU werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2011)

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