Der IWF und die Eurokrise

(c) Dapd (Berthold Stadler)
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Der Währungsfonds hat bei der Überwachung der Euroländer vor 2008 schwere Fehler begangen. Der IWF hat jedes Euroland nur für sich selbst betrachtet und nicht als Teil einer Währungsunion.

Brüssel. Die europäische Schuldenkrise kommt den Internationalen Währungsfonds (IWF) teuer zu stehen. Allein zu den drei Hilfsprogrammen für Griechenland, Irland und Portugal schießt er in Summe 78,5 Milliarden Euro zu. Im August machten allein diese Kredite an Euroländer 44 Prozent der gesamten Darlehen des IWF aus; zählt man weitere Hilfsprogramme für EU-Länder wie Lettland dazu, überweist der Fonds derzeit zwei Drittel seiner Darlehen nach Europa.

Da fragt sich: Hätte der IWF mit seinen Heerscharen an Ökonomen und Zugriff auf vertrauliche Regierungsdaten nicht riechen müssen, dass etwas faul ist in Euroland?

Ja, lautet der Befund der Brüsseler Ideenschmiede Bruegel. „Der IWF wurde zum Opfer einer ,Europa ist anders‘-Mentalität und hat es verabsäumt, Themen wie das Auseinanderklaffen von Lohnstückkosten, Kapitalflüssen und den daraus erwachsenden großen Ungleichgewichten in den Leistungsbilanzen der Länder anzusprechen“, hält er in einer neuen Studie fest. „Ganz allgemein hat die Überwachung des IWF darin versagt, die Folgen der Mitgliedschaft in einer Währungsunion sowohl für die einzelstaatliche Politik als auch für die Führung der Eurozone, deren Schwächen nicht grundlegend kritisiert wurden, anzusprechen.“

Zu viel Vertrauen in die Kräfte des Marktes

Der IWF hat also jedes Euroland nur für sich selbst betrachtet und nicht als Teil einer Währungsunion, in der nationale Notenbanken nicht mehr ihre Wechselkurse und Teuerungsraten mit der Erhöhung oder Verknappung der Geldmenge steuern können.

Diese Kritik ist für den Fonds besonders peinlich. Denn die Besonderheiten der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion sollten seinem Führungspersonal gut bekannt sein: Seit seiner Gründung im Jahr 1946 ist, gemäß einer Absprache mit den USA, stets ein Europäer IWF-Generaldirektor gewesen. 2004 bis 2007, als sich die Finanzkrise aufbaute, war das der Spanier Rodrigo de Rato, danach bis zu seinem skandalträchtigen Rücktritt im heurigen Sommer der Franzose Dominique Strauss-Kahn. Die Brugel-Autoren haben ihre Untersuchung in die Zeit vor und nach dem Zusammenbruch der US-Großbank Lehman Brothers im September 2008, des Zündfunken für die globale Krise, geteilt. Vor „Lehman“ habe es im Fonds „zu viel Vertrauen auf die inhärente Stabilität der Privatwirtschaft und des Finanzsystems gegeben“, kritisieren sie. Der Fonds machte haarsträubende Fehler. 2006 befand er zum Beispiel, dass Griechenland schwere Probleme im Management seines Budgets und der Erstellung von Statistiken habe. Doch diese Erkenntnisse flossen nicht in Handlungsanweisungen an Athen ein. Im Bericht 2007 wurden diese Probleme heruntergespielt. Das IWF-Führungsgremium diskutierte die griechischen Probleme nicht einmal.

IWF-Einfluss in Eurozone „unverzichtbar“

Ab 2008 besserte sich die Leistung des Fonds merklich. „Er schlug richtigerweise politisches Handeln vor, um den Risken einer Depression entgegenzuwirken, und warnte zu einer Zeit vor Problemen im Bankensektor, als die Europäer diese noch leugneten.“

Anfang 2010, als die globale Finanzkrise eine Eurokrise losgetreten hatte, war der IWF „bereit, eine aktive und einflussreiche Rolle im Umgang mit der Krise, bei der Schaffung neuer Krisenmechanismen und der breiteren Reform der Währungsunion zu spielen“. Das sei bitter nötig gewesen, denn: „Die langsame europäische Antwort und Spaltungen zwischen den Mitgliedstaaten bedeuteten, dass der ungewöhnliche Aktivismus des IWF unverzichtbar war.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2011)

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