James Turk: "Wir erleben eine Krise des Sozialismus"

James Turk erleben eine
James Turk erleben eine(c) Bilderbox
  • Drucken

Der amerikanische Gold- und Währungsexperte James Turk erwartet am Ende der Krise den Untergang der Währungen und eine Goldpreisexplosion. Schuld an der Misere sei eine "heilige Allianz" aus Politik und Banken.

Warum glauben Sie, ist das Interesse an Gold in Deutschland besonders groß?

James Turk: Die Deutschen wissen stabiles Geld zu schätzen. Sehen Sie sich all die Probleme mit dem Euro an. Da ist es doch klar, dass die Menschen sich nach Alternativen umsehen. Die Bundesbank hat 50 Jahre lang die Kaufkraft der D-Mark stabil gehalten, weil den Deutschen das Trauma der Hyperinflation in der Weimarer Republik in die Hirne eingebrannt ist. Die Deutschen wissen, dass Inflation zu ökonomischen und politischen Problemen führt. Harte Arbeit, stabiles Geld und Sparen – so kommen wir als Menschen weiter. Nicht durch Inflation.

Aber Politiker und Notenbanker beteuern immer wieder, der Euro sei so stabil wie die D-Mark, wenn nicht sogar besser.

Was die behaupten und die Wahrheit sind zwei verschiedene Dinge. Sehen sie sich einfach den Preis von Öl in den letzten 60Jahren an. Von 1950 bis 2000 hatte die D-Mark eine fast unveränderte Kaufkraft. Aber der Euro ab 2000 sieht genauso aus wie der Dollar und das Pfund. Die Kaufkraft schwindet. Wegen der Inflation. Man merkt das erst jetzt wirklich. Offiziell heißt es, in der Eurozone gibt es drei Prozent Inflation. Aber wer glaubt das schon? Die ist viel höher. Die Bundesbank würde jetzt die Zinsen anheben. Die EZB senkt sie. Man muss davon ausgehen, dass Inflation ein weit größeres Problem wird, weil sie die falschen Entscheidungen trifft.

Die EZB versichert immer wieder, dass die Notmaßnahmen wieder eingestellt werden und die Geldpolitik wieder hart wird.

Aber wann? Zuerst hat Mister Trichet gesagt, er kauft nur griechische Anleihen; dann waren es spanische und italienische. Wann soll das aufhören? Die Bundesbank hätte nicht mal deutsche Anleihen gekauft. Denn genau das ist in der Weimarer Republik geschehen. Man hat den einfachen Ausweg gesucht und die Regeln immer mehr gebogen. Das hat die Währung zerstört, dann die Republik und den Boden für Hitler bereitet. Die Bundesbank ist das einzige Beispiel in der Geschichte für eine Zentralbank, die die nötige Disziplin eingehalten hat, ohne an einen Goldstandard gebunden zu sein.

Glauben Sie, dass die Zentralbanken heute im Goldmarkt intervenieren?

Ja. Wo intervenieren sie nicht?! Bei Währungen und Zinsen tun sie es auch. Beim Gold machen sie zwei Dinge: Sie verkaufen es oder verleihen es, um den Goldpreis zu drücken. Und sie überziehen es mit Propaganda, sagen es sei kein Geld, sondern nur „Tradition“, wie US-Notenbankchef Ben Bernanke es genannt hat.

Aber der Goldpreis steigt doch?

Ja, die Zentralbanken sind seit zehn Jahren in einem kontrollierten Rückzug. Sie können den Goldpreis nicht auf dem niedrigen Niveau halten, auf dem sie ihn gern hätten – dafür ist die Nachfrage zu groß. Aber solange sie dafür sorgen, dass Gold nur langsam steigt und nicht plötzlich wie eine Rakete abhebt, können sie so tun, als wäre unser Währungssystem noch nicht total kaputt. Aber das ist es natürlich. Das System ist kaputt und funktioniert nicht mehr.

Und wann wird diese Goldrakete abheben?

In die Zukunft kann ich nicht sehen, aber der Trend ist klar. Wir sind auf dem Weg in die Hyperinflation – und zwar weltweit. Wir machen dasselbe wie die Deutschen in der Weimarer Republik. Wir kaufen Staatsanleihen mit frisch gedrucktem Geld. Das macht die EZB, die Fed, die Bank of England. Die Währungen werden kollabieren, und Gold wird nach 100Jahren wieder seine angestammte Rolle im Zentrum des Währungssystems einnehmen.

Was macht Sie so sicher?

Wirtschaft ist einfach: Hausverstand und Logik – deswegen ist die Österreichische Schule der Nationalökonomie rund um Ludwig von Mises und Friedrich von Hayek so gut. Die basiert auf Logik und nicht auf irgendeiner mathematischen Formel ohne Bezug zur Realität. Wir leben in einer Blase. Die Blase ist nicht Gold, sondern Papiergeld. Papiergeld geht immer unter. Und wenn es das tut, dann meist in einem historischen Event.

Von Mises und von Hayek waren Kapitalisten. Erleben wir nicht eine Krise des Kapitalismus?

Das glauben viele Leute, aber das ist absolut falsch! Was wir erleben, ist eine Krise des Sozialismus. In Amerika kommen 40 Prozent des BIPs vom Staat. In Europa noch mehr. Aber der Staat kreiert keinen Wohlstand. Nur der Privatsektor kann das. Wenn der Staat stark wächst, erhöht er die Steuern zu stark und ruiniert auch die Privatwirtschaft. Wie Margaret Thatcher gesagt hat: „The problem with socialism is, that you eventually run out of other peoples money.“ Genau da sind wir heute angelangt. Deswegen will die EU eine Finanztransaktionssteuer einführen. Was für eine idiotische Idee. Ultimativ wird der Sozialismus in den Untergang führen und als gescheiterte Philosophie angesehen werden. Die meisten Menschen verstehen nicht, was Kapitalismus und Sozialismus wirklich sind. Weil sie nicht verstehen, was Kapital ist. Das ist eine knappe Ressource, die durch harte Arbeit und Sparen entsteht. Nicht durch Kredit. Die Welt steht heute auf dem Kopf. China ist ein kapitalistisches Land mit einer kommunistischen Regierung. Amerika ist mehr sozialistisch als kapitalistisch. Und die Regierung eher faschistisch. Europa mit seinen aufgeblasenen Sozialstaaten ist sozialistisch.

Aber viele Menschen sehen trotzdem das Problem im Kapitalismus und wollen nach der Krise sicher noch mehr Sozialismus.

Ja, da sprechen Sie leider von genau der Entwicklung, die Deutschland nach der Hyperinflation in den 1920er-Jahren genommen hat. Die Währung ist kollabiert, der Privatsektor wurde zerstört, und dann kamen die Nationalsozialisten. Die haben die Wirtschaft völlig ruiniert und das Land in den Krieg geführt. Das ist auch heute nicht ausgeschlossen. Wirtschaftliche Verwerfungen haben in der Geschichte oft in den Krieg geführt. Es ist leider auch heute möglich, dass wir wieder einen Weltkrieg sehen werden. Als Individuen können wir nur versuchen, auf solche Szenarien vorbereitet zu sein und unsere Familien zu schützen. Gold und Silber haben in der Geschichte immer geholfen bei diesen Vorhaben.

Wo schätzen Sie die Lage der Europäischen Union im Vergleich mit den USA ein?

Ich glaube nicht, dass wir jemals die „Vereinigten Staaten von Europa“ sehen werden – oder dass wir sie brauchen. Amerika wurde groß, weil es eine gemeinsame Sprache, Geschichte und Währung hatte: den Silberdollar. Bis 1860 konnte jeder diesen Dollar prägen, der wollte. Wir hatten nicht nur Trennung von Kirche und Staat, sondern auch von Geld uns Staat. Ähnlich wie bei der Bundesbank. Das hat funktioniert und ist exakt der Grund, warum die EZB zum Scheitern verurteilt ist. Aber in Deutschland und Österreich kann man nicht offen über diese Dinge reden. Wer den Euro und die EU kritisiert, ist gegen Europa. Wer gegen Europa ist, ist ein Nationalist. Und wer ein Nationalist ist, ist ein Nazi. Was für ein Unsinn.

Warum erzählen uns die Politiker das genaue Gegenteil über Geld und Kapital?

Weil Geld Macht ist, und Politiker Geld brauchen, um Patronen zu kaufen. Deswegen haben sie eine heilige Allianz mit den Banken. Die schaffen das Geld für die Politiker. Für Vernunft, Logik oder die Freiheit der Menschen interessieren sie sich nicht, und dieses System werden sie freiwillig auch nie aufgeben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.