Keine Entscheidung zu Rating-Verbot für Krisen-Länder

EU Commissioner Barnier addressses a news conference in Brussels
EU Commissioner Barnier addressses a news conference in Brussels(c) REUTERS (Francois Lenoir)
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Die EU-Kommission präsentiert verschärfte Regeln für Ratingagenturen. Die Entscheidung über die temporäre Suspendierung werde aber verschoben, sagte EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier.

Die EU-Kommission will die Macht der Ratingagenturen brechen, deren Herabstufungen von Euro-Ländern wiederholt zu den Turbulenzen in der Schuldenkrise beigetragen haben. Die Entscheidung über die temporäre Suspendierung der Länderratings für Euro-Schuldenstaaten werde aber verschoben, sagte EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier am Dienstag in Straßburg. Mit den Gesetzesvorschlägen will Barnier die Abhängigkeit von Ratings reduzieren und Wettbewerb sowie Transparenz fördern. Außerdem sollen die Agenturen für fahrlässige Bewertungsfehler haften.

Die neuen Regeln sollen die Abhängigkeit von den Ratings reduzieren, den Wettbewerb erhöhen und die Transparenz verbessern. In einem Interview mit dem französischen Radiosender BMF kündigte Barnier am Montag an, dass die europäische Wertpapieraufsicht ESMA den Ratingagenturen die Benotung von Ländern für eine bestimmte Zeit verbieten können soll, wenn diese Hilfskredite von Euro-Ländern und Internationalem Währungsfonds (IWF) erhalten.
Dieser Vorschlag war Medienberichten zufolge jedoch bis zuletzt in der EU-Kommission umstritten. Möglicherweise muss Barnier darauf verzichten.

>>> Karte: Die Ratings der EU-Länder

In den vergangenen Monaten hatten die großen Ratingagenturen immer wieder Unmut auf sich gezogen, da sie in heiklen Situationen die Kreditwürdigkeit von Ländern wie Griechenland herabstuften. Durch eine schlechtere Bewertung wird es für ohnehin verschuldete Länder teurer, sich bei Investoren Geld zu leihen.

Die Agenturen verdienen ihr Geld damit, dass sie die Sicherheit von Wertpapieren sowie die Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Staaten analysieren und benoten. Ratingagenturen sind zwar keine offiziellen Aufsichtsbehörden, sie erfüllen aber inzwischen im Prinzip diese Rolle. Der Einfluss besonders der drei wichtigsten Agenturen Standard & Poor's, Moody's und Fitch ist daher enorm.

Rotationsprinzip

Um ihre Macht zu brechen, will Barnier einem Entwurf seiner Vorschläge zufolge nun ein Rotationsprinzip einführen: Demnach soll eine Agentur ein Wertpapier oder den Herausgeber eines Wertpapiers nur noch maximal drei Jahre bewerten dürfen. Die Ratingagenturen sollen zudem für Schäden haften, die etwa durch grob fahrlässige Bewertungsfehler entstanden sind. Großen Ärger hatte in der vergangenen Woche Standard & Poor's auf sich gezogen, da die Agentur eine falsche Meldung über die Herabstufung der Kreditwürdigkeit Frankreichs verschickt hatte.

Die Ratingagenturen standen bereits vor drei Jahren in der Kritik: Sie werden für die Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 mit verantwortlich gemacht, welche die weltweite Finanzkrise auslöste. Ihnen wurde vorgeworfen, mit zu guten Ratings über die Schieflage der Bank hinweggetäuscht zu haben. Ihr Geld bekommen die Bonitätsprüfer nicht von den Anlegern, der sich für die Aussichten eines Wertpapiers interessieren, sondern von dem Emittenten. Die EU-Kommission will nun Interessenskonflikte beheben: Geplant ist etwa, dass ein Unternehmer nicht große Anteile an zwei konkurrierenden Agenturen gleichzeitig halten darf.

EU-Parlamentarier für neue Regeln

Die geplante strengere Regulierung der Ratingagenturen wird von den österreichischen EU-Parlamentsabgeordneten unterstützt. Der SPÖ und den Grünen gehen die Vorschläge aber nicht weit genug. Der Gesetzesvorschlag sei "richtig und sollte so schnell wie möglich beschlossen werden", betonte ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament, Othmar Karas. "Wir brauchen Transparenz, Rechenschaft und Wettbewerb bei Ratingagenturen."

Die SPÖ-Europaabgeordnete Evelyne Regner sieht keinen "Paukenschlag, den Europa eigentlich brauchen würde". "Äußerst positiv" sei aber die geplante Haftung der Ratingagenturen für Bewertungsfehler. Die angedachte Rating-Aussetzung für Euro-Krisenländer wäre aber nur eine "Notbremse und dürfe keine Dauerlösung sein". Bei den Gesetzesvorschlägen vermisst Regner eine "unabhängige europäische Ratingagentur" für Zweitratings.

Der Grünen Europaabgeordneten Ulrike Lunacek gehen die Vorschläge der Kommission hingegen nicht weit genug. Nach Vorstellungen der Grünen sollte es "insbesondere für Staatsschulden verpflichtend ein Zweitrating durch diese europäische Agentur vergeben werden".

(APA/Red.)

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