'Letzte Dämme brechen': Anleger fliehen aus Kerneuropa

Letzte Daemme brechen Anleger
Letzte Daemme brechen Anleger(c) EPA (IAN LANGSDON)
  • Drucken

Investoren trennen sich in großem Stil von Anleihen bisher als grundsolide geltender Länder wie Frankreich, Niederlande und Österreich.

Das Misstrauen der Anleger gegenüber dem Krisenmanagement der Euro-Staaten hat die Anleihen Kern-Europas erreicht. Investoren trennten sich am Dienstag im großen Stil von Anleihen der bisher als noch grundsolide geltenden Länder Frankreich, Niederlande und Österreich. Von der Verkaufswelle wurden auch belgische und finnische Papiere erfasst. Händler sprachen von "Panik" und "Hysterie".

Die Verzinsung der österreichischen Staatsanleihen ist am Dienstag trotz der von der Regierung beschlossenen Schuldenbremse weiter massiv gestiegen. Für Bonds mit einer Restlaufzeit von zehn Jahren wurde am Sekundärmarkt am Mittwochnachmittag eine Rendite von 3,7 Prozent verlangt, was einem Anstieg von 6,6 Prozent an einem Tag entspricht. Damit liegen sie auf dem Niveau von französischen Anleihen.

Die Risikoaufschläge europäischer Anleihen gegenüber deutschen Bundesanleihen kletterten auf das höchste Niveau seit der Einführung des Euro im Jahr 1999. "Das spiegelt ein Misstrauen gegen die Währungsunion als ganzes wider", fasste Helaba-Analyst Ulrich Wortberg zusammen. Einen konkreten Auslöser für den Ausverkauf habe es nicht gegeben. Der Euro verlor rund einen US-Cent auf 1,3540 Dollar.

"Investoren bauen ihr Risiko ab"

Elwin de Groot von der niederländischen Rabobank bezeichnet die Vorgänge in der "Süddeutschen Zeitung" als "Vertrauenskrise". Die "Investoren glauben nicht, dass die Euro-Zone ihre Probleme lösen kann". Ein weiterer Börsianer sagte: "Einem Anleger in Asien oder Amerika kann man nicht erklären, warum es in Europa Wochen oder Monate dauert, bis ein Beschluss gefasst ist. Und haben sich die Europäer dann mal bis zu einer Entscheidung durchgerungen, dauert die Umsetzung nochmal so lange". "Es scheint als ob die letzten Dämme brechen", kommentierte ein Dritter.

"Dass die Renditen der französischen Anleihen rund zwei Punkte höher als die der deutschen liegen, ist durch Fundamentaldaten nicht gerechtfertigt", sagte ein Börsianer. "So viel besser ist Deutschland auch wieder nicht." Für die Bundesregierung könnte es durch den Run auf die deutschen Papiere sogar schwieriger werden, neue Schulden aufzunehmen. Denn schließlich hätten die großen Anleger längst ihre Portfolios mit deutschen Anleihen voll. "Da wird kaum jemand noch dazu kaufen müssen", fügte der Händler hinzu.

Ein Händler sagte, der Markt wolle die Euro-Zone zwingen, dass zu tun, was die Briten und die Amerikaner tun: nämlich die Notenpresse anzuwerfen. Die Zentralbanken in den USA und Großbritannien hatten Anleiheaufkaufprogramme aufgelegt, dabei aber anders als die Europäische Zentralbank (EZB) die zusätzliche Liquidität nicht wieder abgeschöpft, also "sterilisiert" wie es im Notenbank-Deutsch heißt. In der Euro-Zone wird seit Wochen darüber gestritten, ob auch die EZB unbegrenzt und unsterilisiert Anleihen kaufen und damit neues Geld drucken sollte.

Zinsen für Italien-Anleihen untragbar

Am Montag stellte sich auch heraus, dass die europäische Notenbank in der vorigen Woche ihr Kaufprogramm sogar gedrosselt hatte. Laut Händlern erwarb die EZB auch am Dienstag wieder Anleihen Italiens. Deren Renditen zogen ungeachtet dessen aber kräftig an: So rentierten die zehnjährigen italienischen Staatspapiere zeitweise wieder mehr als sieben Prozent. An den Märkten werden solch hohe Renditen als untragbar für ein Euro-Land angesehen. Auch die Renditen der zehnjährigen spanischen Staatsanleihen zogen weiter über sechs Prozent an.

Zu den Spekulationen auf ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone habe auch das Parteiprogramm der CDU beigetragen, das am Montag verabschiedet wurde, erklärten Händler in London. Darin schlägt die Partei vor, einem Land, das die nötige Haushaltskonsolidierung nicht schafft, einen Austritt aus der Euro-Zone zu ermöglichen. "Damit ist der Begriff 'Austritt aus der Euro-Zone' als Konzept auf dem Tisch", erklärte ING-Zinsstratege Padhraic Garvey.

(Ag.)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.