Der Euro-Rettungsschirm soll beschleunigt, die Schuldenbremse einklagbar werden. Paris lenkt bei Absage an Eurobonds und Beteiligung Privater ein. Gelddrucken bleibt aber eine Option.
Paris. Angela Merkel und Nicolas Sarkozy wollen gemeinsam auf die Schuldenbremse treten. Sie wollen deren nationale Wirkungsweise in der Europäischen Union einklagbar und durchsetzbar machen und dies in einem neuen EU-Vertrag verankern. Geht das nicht mit allen 27, so eben nur mit den 17 Euroländern. Dies kündigten die deutsche Bundeskanzlerin und der französische Staatspräsident gestern, Montag, im Anschluss an ein Arbeitsessen im Pariser Élysée-Palast an.
Damit droht eine Abspaltung der Euroländer von den restlichen Mitgliedstaaten. Verstärkt wird diese Tendenz durch die Ankündigung der beiden, sich für monatliche Gipfeltreffen der 17 Euroländer einzusetzen. „Die restlichen Länder, die dies wünschen, können sich daran beteiligten.“ Das Vorpreschen von Paris und Berlin in dieser Frage bedeutet aber auch, dass die EU-Kommission im Krisenmanagement weiterhin umgangen werden soll. Merkel und Sarkozy setzen auf eine rein zwischenstaatlich organisierte gemeinsame Fiskalpolitik.
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso hat sich offen für die von Deutschland und Frankreich angestrebte Änderung der europäischen Verträge gezeigt. "Wenn die Mitgliedstaaten der Meinung sind, die Verträge sollten verändert werden, so dass unsere Verpflichtung zu Stabilität und Verantwortung auf eine höhere rechtliche Ebene gehoben werden, dann ist das ein gutes Signal", sagte Barroso der Tageszeitung "Die Welt"
Das Menü bei ihrem Pariser Lunch bestand freilich vor allem in dem Versuch, sich auf eine Krisenpolitik zu einigen, die für beide Seiten genieß- und verdaubar ist. Die gemeinsame Haushaltsdisziplin, die Frankreich nun akzeptiert hat, soll „automatische Sanktionen“ umfassen. Vor allem sollen alle Eurostaaten die „goldene Regel“ einer Schuldenbremse fest in ihrer Verfassung verankern. Neu ist der Vorschlag, dass diese Schuldenbremse und deren Umsetzung vom Europäischen Gerichtshof beurteilt werden sollen. Sarkozy präzisierte dazu, dass es nicht die Rolle des EuGH sein werde, darüber zu befinden, ob ein nationales Budget akzeptabel sei oder nicht. Hingegen könnten laut Merkel die europäischen Richter aber entscheiden, ob eine nationale Schuldenbremse den neuen Vertragsverpflichtungen entspreche oder nicht.
Sarkozy lenkte bei den Eurobonds ebenfalls auf die deutsche Linie ein. Er verwarf nun gemeinsame europäische Schuldentitel. „Das ist eine komische Idee, Schulden nachträglich zu vergemeinschaften, die man vorher nicht kontrollieren oder verhindern konnte“, sagte er nach dem Treffen mit Merkel. Eingelenkt hat er auch bei der stärkeren Beteiligung von privaten Gläubigern (Banken, Versicherungen) bei der Sanierung maroder Staatshaushalte. Außerdem treten beide nun für einen beschleunigten Aufbau des neuen Euro-Rettungsschirms, den sogenannten Europäischen Stabilitätsmechanimus (ESM), ein. Er soll bereits 2012 in Kraft treten und nicht erst Mitte 2013.
Zentrale Rolle für Zentralbank
Sarkozys überraschend klare Absage an Eurobonds ist ein Hinweis darauf, dass sich Frankreich im Gegenzug mit seiner Forderung nach einem stärkeren Eingreifen der Europäischen Zentralbank (EZB) durchgesetzt haben dürfte. Merkel hat das bisher immer klar abgelehnt.
Beide betonten zwar erneut die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank. Das nicht weiter ausgeführte Einverständnis über eine starke Rolle der EZB dürfte aber auf einen weiteren Ankauf von Staatsanleihen und die Flutung des angespannten Finanzmarkts mit neuem Geld hinauslaufen. Rolle der EZB Seite 17
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2011)