Der Gasstrategie der OMV droht ein herber Rückschlag

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Bei der wichtigen Gaspipeline Nabucco hakt es seit Monaten. Nun könnte das Konkurrenzprojekt South Stream nicht mehr in Österreich enden.

Wien. Für OMV-Chef Gerhard Roiss lagen die Prioritäten Anfang Dezember klar: Entscheidend sei nicht, welche Pipeline gebaut werde – die vom heimischen Energiekonzern initiierte Nabucco oder das russische Konkurrenzprojekt South Stream. Hauptsache, die Gaspipeline ende in Baumgarten im östlichen Niederösterreich. Dort befindet sich jener Knotenpunkt, den die OMV seit ein paar Jahren zum „Central European Gas Hub“ (CEGH), der dominierenden Gasbörse in Mitteleuropa, ausbauen will.

Die Voraussetzungen dafür sind gut. Schon jetzt fließt ein Großteil der russischen Gasexporte nach Europa durch den kleinen Ort im Weinviertel, da hier einst der Übertritt der Anfang der 1970er-Jahre gebauten „Bruderschaft“-Pipeline vom Ostblock in den Westen festgelegt wurde. Es ist daher auch logisch, dass die unter der Führung der OMV geplante Pipeline Nabucco, die Gas aus dem Raum des Kaspischen Meeres nach Europa bringen soll, ebenfalls in Baumgarten endet.

Doppelstrategie der OMV

Da Nabucco vor fünf Jahren aber Konkurrenz durch das russische South-Stream-Projekt erhalten hat, musste die OMV reagieren. Die Lösung war schnell gefunden: Der heimische Energiekonzern blieb zwar Konsortiumsführer bei Nabucco, trat aber auch South Stream bei – in Form einer Beteiligung an jenem Teil der Pipeline, die auf österreichischem Boden gebaut werden soll.

Gleichzeitig wurde den Russen schmackhaft gemacht, auch ihre Pipeline in Baumgarten enden zu lassen. Im Gegenzug dafür sollte die Gazprom einen 50-Prozent-Anteil am CEGH erhalten – ein Angebot, das gerne angenommen wurde. Für die OMV schien diese Doppelstrategie eine Win-win-Situation zu bringen. Egal, welche der beiden Pipelines sich schlussendlich durchsetzen würde: Das für die OMV wichtige Projekt CEGH bliebe jedenfalls auf Schiene. Allerdings hat die OMV die Rechnung ohne die EU gemacht. Diese verschärfte vor einigen Monaten ihre Vorgehensweise gegen Gazprom. Die Kommission in Brüssel verdächtigt den russischen Monopolisten nämlich, seine Marktmacht zu missbrauchen. Er lasse auf dem Großkundenmarkt in Europa keinen wirklichen Wettbewerb aufkommen, durch den auch die Verkaufspreise für Gazprom sinken könnten. Im September wurden daher auch mehrere Hausdurchsuchungen bei Gazprom-Partnern – unter anderem der OMV – durchgeführt.

Das hatte naturgemäß auch Auswirkungen auf Beteiligungen der Gazprom an der europäischen Energieinfrastruktur. Die Verhandlungen über die 50-Prozent-Beteiligung der Gazprom am CEGH (derzeit 80 Prozent OMV und 20 Prozent Wiener Börse) liegen seither auf Eis.

Nun dürfte die Retourkutsche aus Moskau erfolgen. Wie in einem Teil der Donnerstagsausgabe der „Presse“ berichtet, soll Gazprom nach Angaben der russischen Zeitung „Moskowskie Nowosti“ nun vorhaben, South Stream vom Balkan direkt nach Italien zu führen, wo ein Großteil der Endkunden sitzt. Österreich soll nur noch durch eine kleine Leitung „für den Eigenbedarf“ angeschlossen werden.

Bei der OMV will man den Bericht nicht kommentieren. „Unseren Informationen nach ist die Gazprom noch dabei, eine Studie über die endgültige Trassenführung durchzuführen. Das Ergebnis wird in ein paar Monaten erwartet“, heißt es lediglich.

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Bedeutung der „Bruderschaft“ nimmt ab

Sollte die Entscheidung der Gazprom aber wirklich gegen Baumgarten ausfallen, wäre das ein herber Schlag für die OMV-Gasstrategie. Denn South Stream soll mittelfristig auch zumindest teilweise die „Bruderschaft“-Pipeline ersetzen, die in den nächsten Jahrzehnten an das Ende ihrer technischen Lebensdauer kommt. Da Russland mit dem Haupttransitland auf dieser Route – der Ukraine – seit Jahren im Clinch liegt, gilt es als ausgeschlossen, dass eine neue Leitung auf der Trasse aus den 1970er-Jahren gebaut wird. Vielmehr dürften dann die neuen Stränge durch die Ostsee (North Stream) und über den Balkan (South Stream) ausgebaut werden (siehe Karte).

Dies würde die Bedeutung von Baumgarten als europäischen Gasknotenpunkt und die von der OMV geplante Gasbörse deutlich verringern. Natürlich gibt es immer noch das Projekt Nabucco, das mit Sicherheit in Baumgarten enden würde und auch neue Lieferantenländer wie Aserbaidschan, Irak, Turkmenistan und (nach einem politischen Wechsel) auch den Iran erschließen soll. Dieses Projekt ist auch schon weiter fortgeschritten als South Stream.

Allerdings hakt es seit einigen Monaten bei Nabucco. Grund dafür ist indirekt wieder die EU. Sie verlangt, dass ein Teil der Kapazitäten der Pipeline ausgeschrieben wird, um den Wettbewerb zu wahren – eine Vorschrift, die vor allem bei den Lieferanten in Zentralasien nicht unbedingt auf Gegenliebe stößt.

Entscheidend für Nabucco ist dabei der Zuschlag von jenem Konsortium, das das Gasfeld „Shah Deniz 2“ entwickeln will. Dieses hat von mehreren Pipelineprojekten ein Angebot zum Abtransport des Gases erhalten und will sich bis März 2012 festlegen.

Das Warten dürfte inzwischen aber auch in der OMV-Zentrale an den Nerven zehren. So meinte Roiss im September noch zur „Presse“: „Wir brauchen Nabucco, und ich kämpfe für sie.“ Im Dezember meinte er dann, die Pipeline hätte „keine zentrale Bedeutung“ mehr für die OMV-Strategie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2011)

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