Ron Paul: "We're all Austrians now!"

Paul Were Austrians
Paul Were Austrians(c) Reuters (SHANNON STAPLETON)
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Amerikas Plan B: Ron Paul denkt radikal anders als Mitt Romney oder Barack Obama. Genau deshalb hat er plötzlich eine kleine Chance. Im Internet ist der "unwählbare" Kandidat eine große Nummer.

Mahatma Ghandi hat angeblich einmal gesagt: „Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich, und dann gewinnst du.“ Ron Paul wurde sehr lange ignoriert, immer wieder belächelt und zuletzt hart bekämpft. Nur der große Sieg, der fehlt dem 76-jährigen „Congressman“ aus Texas noch. Zum dritten Mal schon tritt der gelernte Arzt Ron Paul an, um US-Präsident zu werden. Und noch nie waren seine Chancen auf die Nominierung der Republikaner so groß wie dieses Mal. Bei den Vorwahlen im Bundesstaat Iowa lag er fast gleichauf mit Mitt Romney und Rick Santorum. Die entscheidende Schlacht wird wohl am Dienstag in New Hampshire geschlagen: Ein Sieg in einer der zwei ersten Vorwahlen gilt als Voraussetzung für eine Nominierung. Das Feld ist diesmal aber so eng, dass alles möglich scheint.


Kein Republikaner. Ron Paul wird wegen seiner „radikalen“ politischen Vorstellungen oft als „unwählbar“ abgetan. Im Duktus des politischen Mainstreams der USA ist er der „Antikandidat“, eine verlorene Stimme, ein Verrückter. Aber dass Ron Paul vom politischen Establishment so abgelehnt wird, ist inzwischen ein wichtiger Grund für seine steigende Popularität. Paul ist das verkörperte Anti-Establishment.

Seine Positionen sind auf fast jedem politischen Gebiet ganz anders als die seiner Mitbewerber. Pauls Positionen gefallen weder den Banken noch dem militärisch-industriellen Komplex. Aber kein anderer Kandidat der Republikaner hat von US-Soldaten so viele Spenden erhalten wie Paul. Dabei sollte man Paul noch nicht einmal als Republikaner bezeichnen. Obama und Romney haben miteinander viel mehr gemein als Romney mit Paul. Und keiner von beiden kann einen ähnlich umfassenden Plan zum Wiederaufbau Amerikas liefern, wie Paul es kann.

Denn Paul ist tatsächlich ein „Antikandidat“. Seine politischen Überzeugungen basieren nicht auf Umfrageergebnissen, sondern auf einer Weltsicht, die Menschen wie Obama und Romney fremd ist. Ron Paul ist, was man in Amerika einen „Libertären“ nennt. In Europa wäre er einfach ein Liberaler, auch wenn dieser Begriff heute wohl verwaschener denn je ist.

Paul gilt auch als einer der wichtigsten lebenden Vertreter der „Österreichischen Schule der Nationalökonomie“. Die Schriften von Ludwig von Mises und Friedrich von Hayek haben den Mediziner schwer geprägt, wie er in seinen eigenen Büchern immer wieder beweist. Seine „verrückten“ Ideen, fünf Regierungsbürokratien abzuschaffen, die Federal Reserve schrittweise zu beseitigen und die Kriege in Afghanistan und Irak „sofort“ zu beenden, sind ihm nicht einfach so eingefallen – sie basieren auf den Prinzipien eines friedlich-liberalen „Non-Interventionismus“. Seine Anhänger sehen in Ron Paul keinen Radikalen, sondern einen Revolutionär im Sinne George Orwells, der gesagt hat: „In Zeiten allgemeinen Betrugs ist das Aussprechen der Wahrheit ein Akt der Revolution.“

Ron Paul steht in praktisch jedem Thema für das Gegenteil von dem, wofür Barack Obama oder Mitt Romney stehen. Sein Lieblingsthema ist die Geldpolitik. Für ihn ist Inflation keine „Lösung“ der Staatsschuldenkrise, sondern der Grund dafür. Er ist als junger Mann in die Politik gegangen, weil er die Aufhebung des letzten Restes eines Goldstandards durch Richard Nixon als schweren Fehler betrachtet hat. Paul warnte vor einer Serie von Blasen und deren Zusammenbruch – und wurde bestätigt. Wer will, kann sich auf YouTube eine ganze Reihe ausdrücklicher Warnungen Ron Pauls ansehen– aufgenommen lange vor dem Platzen der Immobilienblase. Es gibt sogar Best-of-Videos von eingetretenen Ron-Paul-Prognosen.


Online erfolgreich. Im Internet ist der „unwählbare“ Kandidat überhaupt eine große Nummer. Auf Twitter und Facebook lässt er seine republikanischen Gegenkandidaten weit hinter sich. Auf YouTube sind vier Mal mehr Paul-Videos als Romney-Videos zu finden. Ganz zu schweigen von den vielen hunderten Blogs und anderen Non-Mainstream-Medien, bei denen Ron Paul als einziger Politiker seit Jahren Stammgast ist. Dazu kommt die Welt der Wirtschaftsberichterstattung im Netz. Aufgrund seiner Expertise, seines Eintretens für hartes Geld und seiner Kritik an der US-Zentralbank Federal Reserve ist Ron Paul auch dort spätestens seit 2008 omnipräsent. Warum soll ein Kandidat mit einer derart großen Verbreitung „unwählbar“ sein? In vielen Beliebtheitsumfragen liegt er USA-weit sogar gleichauf mit dem amtierenden Präsidenten Barack Obama.

Ron-Paul-Fans in Amerika haben bereits Monate vor den Vorwahlen in Iowa im Internet mobilisiert. Weil ihr Kandidat von den Mainstream-Medien derart offenkundig ignoriert worden war, ignorierten seine Fans die Medien. Jetzt, nach Iowa, können sie auf einer stabilen Basis aufbauen. Niemand bestreitet, dass Paul inzwischen die größte und effizienteste Wahlkampfmaschine hinter sich hat. Und niemand glaubt ernsthaft, dass Paul aufgeben wird – selbst wenn er in New Hampshire nicht gewinnt. Ron Paul hat sich lange auf seine Zeit im Rampenlicht vorbereitet.

Der texanische Arzt und ökonomische Autodidakt verkörpert Amerikas Plan B. Als Mitglied von Ronald Reagans Währungskommission Anfang der 1980er unterlag der Goldstandard-Befürworter Paul einer Mehrheit, die weiterhin ungedecktes Papiergeld bevorzugte. Die teils katastrophalen Marktkapriolen der vergangenen Jahrzehnte sind aus Pauls Sicht direkt auf diese Fehlentscheidung zurückzuführen. In der „Austrian Business Cycle Theory“ von Ludwig von Mises, die Paul studiert hat, ist unkontrollierte Kreditausweitung (also „Gelddrucken“) die Saat, aus der Finanzkatastrophen erwachsen. Paul hat damals gemeinsam mit einigen Mitstreitern ein Addendum zum Kommissionsbericht geschrieben: „The Case for Gold“. Darin beschreibt er nicht nur ausführlich, warum nur eine goldgedeckte Währung stabil bleiben kann – sondern auch, wie man den Goldstandard wieder einführen könnte, sollte es notwendig werden.

Und der Tag, an dem diese Notwendigkeit Realität werden wird, dürfte näher rücken. Selbst der ehemalige Fed-Chef Alan Greenspan, der als „Maestro“ des Papiergelds gilt, hat bereits öffentlich einen Goldstandard gefordert. Der Grund ist simpel: Vierzig Jahre lang konnten die USA die Welt davon überzeugen, dass der Dollar „so gut wie Gold“ sei, obwohl er nicht mehr in Edelmetall konvertierbar war. Durch dieses „exorbitante Privileg“ konnte Amerika seine Importe de facto durch frisch gedrucktes Geld bezahlen. Anders gesagt: Amerika stellte buntes Papier zur Verfügung, während der Rest der Welt arbeiten musste. Ist so ein System sinnvoll? Ja, aber nur, wenn man auch einen Plan hat, wie man wieder herauskommt. Denn die negativen Effekte dieses Systems überwiegen heute: Amerika ist de facto deindustrialisiert, und überall auf der Welt herrschen Instabilität, Unsicherheit und Inflation. Niemand weiß so recht, wie es weitergehen soll.

Revolution. Niemand, außer Ron Paul. Er verspricht, schon in seinem ersten Jahr eine Billion Dollar aus dem Budget zu streichen. Er will fünf nationale Bürokratien einfach abschaffen und den „Krieg gegen Drogen“ beenden, weil dieser mehr koste, als er bringe – und außerdem unzählige arme schwarze Amerikaner wegen Minidelikten hinter Gitter befördert hätte. Auch will Paul große Teile des „Patriot Acts“ streichen, weil dieses Gesetz die Freiheit der Menschen bedrohe. Überhaupt ist Paul kein Freund von Regeln, die von oben kommen. Für ihn steht die Freiheit des Individuums im Mittelpunkt. Er bezeichnet sich als „strict Constitutionalist“ und kann jede seiner Forderungen auf bestimmte Sätze in der US-Verfassung zurückführen. In dieser steht zum Beispiel auch, dass „nur Gold und Silber“ gesetzliches Zahlungsmittel sein dürfen.

Ron Paul hat seine Schwächen zu Stärken gemacht hat. Gerade weil er für Establishment und Medien als „unwählbar“ gilt, wird er offenbar für viele Wähler plötzlich interessant. Hinter dem Banner der „Ron Paul Revolution“ versammeln sich junge und alte, linke und rechte Amerikaner. Und Österreich darf sich auch freuen. Mit Paul wird die bisher marginalisierte „Österreichische Schule der Nationalökonomie“ wieder populär und schickt sich an, den kürzlich wieder aufgeflammten Keynesianismus in die Schranken zu weisen. Pauls geldpolitischer Gegenpol Richard Nixon hat einmal gesagt: „We're all Keynesians now.“ Ron Paul selbst hat schon angekündigt, sollte er jemals Präsident werden, wird er dieses Statement revidieren und ausrufen: „We're all Austrians now!“

Zur Person

1935
Ron Paul wird am 20.August in Pittsburgh, Pennsylvania, geboren. Er studiert als junger Mann Medizin.

1957
Paul heiratet Caroll Wells. Das Paar ist bis heute zusammen und hat fünf Kinder; Sohn Rand ist Senator.

1963
Paul dient fünf Jahre als Militärarzt und arbeitet dann als Gynäkologe. Er entbindet mehr als 4000 Babys – und liest Hayeks „Weg zur Knechtschaft“.

1971
Als Richard Nixon das „Goldfenster“ schließt, geht Paul in die Politik.

1976
Paul wird in den US-Kongress gewählt.

1988
Er tritt erstmals als Kandidat fürs Weiße Haus an – für die Libertarian-Party.

2011
In der Krise steigt seine Popularität – Ron Paul hat immer wieder vor zu vielen Schulden und Inflation gewarnt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2012)

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