Deutschland verdient Geld beim Schuldenmachen

Anleger zahlen deutschen Anleihen
Anleger zahlen deutschen Anleihen(c) EPA (KARL-JOSEF HILDENBRAND)
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Bei der Versteigerung von Geldmarktpapieren mit einer Laufzeit von sechs Monaten lag die durchschnittliche Rendite bei minus 0,0122 Prozent.

Dem deutschen Staat gelingt derzeit ein Kunststück: Er verdient Geld beim Schuldenmachen. Der deutsche Bund sammelte am Montag 3,9 Milliarden Euro bei Anlegern ein. Anders als üblich musste er die Investoren dafür für ein Halbjahres-Papier nicht mit Zinsen belohnen, sondern streicht eine Prämie von rund 242.000 Euro von den Anlegern ein. Deutschland profitiert damit von der Schuldenkrise, deretwegen Investoren auf der Suche nach sicheren Anlagen auf Rendite verzichten.

Bei einer Auktion von Geldmarktpapieren platzierte der Bund 3,9 Millilarden Euro Sechsmonatspapiere zu einem Durchschnittszins von minus 0,0122 Prozent. Damit wurde erstmals eine negative Rendite mit der Emission derartiger deutscher Geldmarktpapiere erzielt.

"Das hat es noch nie gegeben"

"Das hat es bisher noch nie gegeben", sagte ein Sprecher der mit dem Schuldenmanagement betrauten Finanzagentur am Montag. "Die Anleger bezahlen eine gewisse Prämie dafür, dass sie dem deutschen Staat Geld leihen." Im Dezember gab es noch einen Mini-Zins von plus 0,001 Prozent. Zum Vergleich: Vor Ausbruch der Finanzkrise im Herbst 2008 lag er bei über 3 Prozent. Dennoch war die Nachfrage robust: Die Anleger gaben Gebote über 7 Milliarden Euro ab, womit die Auktion 1,8-fach überzeichnet war, nach 3,8-fach im Dezember.

Dass der Bund Geld mittlerweile zu kaum schlagbar günstigen Konditionen einsammeln kann, sei ein klares Bekenntnis von Investoren zum "sicheren Hafen" deutscher Staatstitel, sagten Händler. Nach einer verpatzten Anleihenauktion im November 2011 waren zwischenzeitlich Zweifel angekommen, ob die Finanzmärkte dem bisherigen Stabilitätsanker der Euro-Zone weiter vertrauen. Damals war der Bund auf rund einem Drittel seiner angebotenen Papiere sitzengeblieben: Analysten warnten, die Schuldenkrise könnte auf die letzte Bastille Kerneuropas übergreifen.

Diese Befürchtungen scheinen inzwischen vom Tisch. Allerdings dokumentiert der Negativzins bei der jüngsten Bund-Auktion auch die verzweifelte Suche nach vergleichsweise unriskanten Investitionen in Zeiten erhöhter Nervosität und ist damit ein Krisenindikator. Auch die Niederlande mussten zuletzt ihren Gläubigern teilweise keine Zinsen zahlen, wie "DiePresse.com" berichtete. Bei einer Versteigerung von Geldmarktpapieren Anfang Jänner mit einer Laufzeit von drei Monaten lag die Rendite bei 0,0 Prozent. Und in Dänemark kam es bereits zu Auktionen mit negativen Zinsen.

Hoffen auf steigende Renditen

Die Anleger müssen damit aber kein Geld verlieren: Die Papiere können in den kommenden sechs Monaten an der Börse gehandelt werden. Sie können dabei auf steigende Renditen hoffen. "Geld wird in Deutschland geparkt, weil es innerhalb der Euro-Zone derzeit der sicherste Platz ist", sagte ING-Analystin Emelia Sithole-Matarise.

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble spart dadurch viel Geld. Mehr als 35 Milliarden Euro muss der Bund nach bisherigen Planungen in diesem Jahr an Zinsausgaben für seinen auf weit mehr als eine Billion Euro angewachsenen Schuldenberg leisten. Nach Arbeit & Soziales sind die Zinsen der größte Ausgabenposten in dem gut 300 Milliarden Euro schweren deutschen Bundesbudget.

"Wird ein temporäres Ereignis bleiben"

Allerdings rechnet die Finanzagentur nicht damit, dass der Bund künftig regelmäßig Geld geschenkt bekommt. "Das wird nicht von Dauer sein, sondern ein temporäres Ereignis bleiben", sagte der Sprecher der Finanzagentur. Dass ein Staat mit der Schuldenaufnahme Geld verdient, war auch schon in anderen Ländern beobachtet worden - zuletzt in Dänemark. Dort lag die Rendite bei einer Versteigerung Ende Dezember ebenfalls im negativen Bereich.

Deutsche Bundes-Papiere zählen zu den ausfallsicheren Anlagen, weil die Wahrscheinlichkeit einer baldigen Pleite Deutschlands und damit eines Zahlungsausfalls bei null liegt. "Die Suche nach Qualität spielt eine große Rolle", sagte der Sprecher der Finanzagentur. Während hoch verschuldete Länder wie Italien und Spanien enorme Risikoaufschläge bezahlen müssen, sind die Zinsen für deutsche Anleihen in allen Laufzeiten gefallen. Deutschland profitierte bereits 2011 von seinem Status als sicherer Hafen. Anleger waren bereit, einen Zinsabschlag zu gewähren.

Banken parken immer mehr Geld bei EZB

Das weiter vorherrschende Misstrauen an den Finanzmärkten zeigt sich auch bei einem anderen "Angst-Indikator". Die "Vorsichtskasse" der Banken bei der Europäischen Zentralbank (EZB) ist am Montag zum zweiten Mal in Folge auf den höchsten Stand seit der Einführung des Euro im Jahr 1999 gestiegen. Die Einlagen über Nacht lagen bei 463,57 Milliarden Euro, teilte die EZB am Montag in Frankfurt mit. Erst am Freitag hatten sie den bisherigen Rekord von 455,3 Milliarden Euro erreicht.

Die eintägigen Ausleihungen der Banken bei der EZB gingen hingegen erneut merklich zurück. Sie fielen von 1,9 auf 1,4 Milliarden Euro. Zum Jahresende 2011 hatte der Wert bei 17,3 Milliarden Euro den höchsten Wert seit zwei Jahren erreicht.

Die eintägigen Einlagen und Ausleihungen der Banken bei der EZB gelten als Zeichen für das Misstrauen der Institute untereinander. Normalerweise greifen Banken der Eurozone kaum auf diese sehr kurzfristigen Geschäfte mit der Notenbank zurück, da die Konditionen vergleichsweise ungünstig sind. Ende 2011 hatte die EZB über einen Dreijahreskredit ein Volumen von fast 500 Milliarden Euro an Banken der Eurozone ausgereicht. Nach Einschätzung von Experten wird ein Großteil dieses Geldes nun über Nacht bei der EZB geparkt.

(Ag.)

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