Milliarden gesucht: Serbien im Ölrausch

Milliarden gesucht Serbien oelrausch
Milliarden gesucht Serbien oelrausch(c) AP (Kamran Jebreili)
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200 Millionen Tonnen Öl lassen sich nach Schätzungen der serbischen Regierung aus den gewaltigen Ölschiefervorkommen des Landes gewinnen. Doch der Abbau ist kompliziert – und teuer.

Belgrad. Wenn das Manna nicht vom Himmel fällt, muss man es zur Not eben aus dem Erdboden klauben: Die serbische Regierung schätzt, dass sich aus den gewaltigen Ölschiefervorkommen des Landes 200 Millionen Tonnen Öl gewinnen lassen. Dafür will Belgrad bis Jahresmitte einen Partner gefunden haben, um ab 2016 mit dem Abbau zu beginnen.

Noch ist zwar kein Tropfen Öl aus Serbiens fossilreichem Kalkgestein gewonnen. Doch die erneuten Probebohrungen in der Nähe der südserbischen Stadt Aleksinac lassen die Medien im bitterarmen Balkanstaat bereits im Ölrausch schwelgen. „Der Mineralreichtum wartet auf Investoren“, titelt die Tageszeitung „Politika“. „Aleksinac liegt auf Öl im Wert von 180 Milliarden Dollar“, vermeldet freudig der Belgrader „Blic“.

Erdölvorkommen werden in der strukturschwachen Region nahe Nis zwar nicht vermutet, doch von den Geologen des serbischen Umweltministeriums werden die Ölschieferreserven im Becken von Aleksinac auf bis zu 2,5 Milliarden Tonnen geschätzt: Landesweit soll Serbien gar über Ölschieferreserven zwischen fünf und zehn Milliarden Tonnen verfügen.

Schon während des Zweiten Weltkriegs hatte sich das deutsche Nazi-Regime mithilfe von KZ-Häftlingen mehr oder weniger erfolglos an der Ölgewinnung aus dem sogenannten Ölschiefer auf der Schwäbischen Alb versucht. Trotz enormer Lagerstätten auf der ganzen Welt steckt der Ölschieferabbau zur Energiegewinnung aber noch in den Kinderschuhen.

Rentabel nur bei hohem Ölpreis

Nicht nur technische Probleme, die hohe Umweltbelastung durch Freisetzung von Treibhausgasen, der hohe Energiebedarf und das Problem der Endlager für die hochgiftigen Abfallstoffe lassen viele Länder von einer Nutzung zurückschrecken: Nur bei einem sehr großen Anteil organischen Materials und hohen Erdölpreisen ist die Gewinnung von Ölschieferöl auch rentabel.

Die Ölschiefervorkommen bei Aleksinac wurden schon zu jugoslawischen Zeiten ausgiebig untersucht. Doch nicht zuletzt der Mangel an Mitteln für Investitionen und Zweifel an der „schmutzigen“ Technologie ließen Belgrad damals von einer Förderung absehen. Inzwischen sind die Ölpreise auf den Weltmärkten allerdings auf ein Niveau geklettert, die die Nutzung des Ölschiefers im Becken von Aleksinac durchaus profitabel machen würden: Das dortige Kalkgestein weist laut ersten Untersuchungen einen besonders hohen Gehalt an schwerflüchtigen Ölen auf.

Ausgerechnet Serbiens Umweltministerium hat die Federführung über die Probebohrungen – und hält sich mit der Frage möglicher Umweltschäden erst gar nicht auf. Nach Abschluss der nun begonnenen geologischen Untersuchungen zur genauen Bestimmung der abbaubaren Vorkommen will das Ministerium bis Mitte des Jahres einen Tender ausschreiben, um einen strategischen Partner für die Ausbeutung des Ölschiefers im Becken von Aleksinac zu finden. Bereits 2016 soll laut den Plänen Belgrads mit der Förderung begonnen werden.

Esten als Partner bevorzugt

Es werden Investitionen in Milliardenhöhe benötigt. Dafür winken aber auch Gewinne von bis zu 140 Mrd. Euro, wie der britisch-russische Investmentfonds Zao berechnet hat. Neben Zao und der russischen Gaspromnjeft hat auch das estnische Petrochemieunternehmen Viru Keemia Grupp (VKG) Interesse signalisiert. Medienberichten zufolge favorisiert Belgrad die Esten nicht nur wegen ihrer langjährigen Erfahrung im Ölschieferabbau – als Unternehmen eines EU-Mitglieds seien sie wohl am ehesten imstande, die EU-Umweltauflagen beim schadstoffreichen Abbau des Ölgesteins zu erfüllen.

Auf einen Blick

Serbien sitzt verschiedenen Schätzungen zufolge auf Ölschiefervorkommen im Wert von weit über 100 Mrd. Euro. Die Regierung will 2016 mit dem Abbau beginnen. Dazu braucht sie aber einen Partner, der bereit ist, Milliarden in die Hand zu nehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2012)

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