Facebook lässt die Hüllen fallen

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Eine Mrd. Dollar Gewinn, 845 Mio. Nutzer, ein Hacker als Chef und jede Menge Sorgen. Facebooks Börsengang bietet einen raren Blick hinter die Kulissen des Onlinenetzwerks.

Wien/Auer. Am liebsten wüsste Facebook wohl alles über seine Nutzer – schließlich sind sie die einzige Geldquelle des Unternehmens. Seit Donnerstag können die 845 Mio. Mitglieder den Spieß umdrehen: Denn in den Unterlagen zum geplanten Börsengang, die Facebook gestern eingereicht hat, verrät das Unternehmen erstmals auch ein paar Geheimnisse über sich selbst.

Der Blick in die 150 Seiten starken Unterlagen offenbart ein überraschend erwachsenes Unternehmen. 483 Millionen Menschen – jeder 15. Erdenbewohner – nutzen die Plattform demnach täglich. Und Facebook ist es weitaus besser gelungen als gedacht, daraus Kapital zu schlagen: Schon in den vergangenen drei Jahren hat das Unternehmen satte Gewinne eingefahren. Im Vorjahr lag der Gewinn bei einer Mrd. und der Umsatz bei 3,7 Mrd. Dollar. Deutlich mehr als etwa Google im Jahr seines Börsengangs eingenommen hat. Damit dürfte es für Facebook kein Problem sein, die angestrebten fünf Mrd. Dollar (3,8 Mrd. Euro) an der Börse einzusammeln.

Wie viel eine Aktie in wenigen Monaten kosten wird und wie hoch somit das Unternehmen bewertet wird, ließ Gründer Mark Zuckerberg in den Unterlagen noch offen. Analysten erwarten, dass Facebook eine Bewertung zwischen 75 und 100 Mrd. Dollar anstrebt.

Zuckerberg behält die Kontrolle

Spätestens dann dürfte der 27-Jährige zu den Reichsten dieser Welt gehören. Die Kontrolle über Facebook wird er aber auch in Zukunft nicht abgeben. 28,4 Prozent der Anteile hält der Gründer noch an seinem Unternehmen – und 56,9 Prozent der Stimmrechte. Denn viele Risikokapitalgeber hatten ihre Stimmrechte an Zuckerberg abgetreten. Auch nach dem Börsengang wird Zuckerberg seine Firma also im Alleingang regieren. Darauf weist das Unternehmen im Börsenprospekt sogar explizit hin. Lediglich mit symbolischen Gesten will er die Suche nach Investoren unterstützen: So gibt sich der frühere Psychologiestudent in Zukunft mit einem Jahresgehalt von einem Dollar zufrieden. Im Vorjahr streifte er 1,5 Millionen Dollar ein.

Das Timing für den Börsengang ist perfekt: Noch heuer wird Facebook die Ein-Milliarden-Nutzer-Marke überspringen. Gerade rechtzeitig, denn danach dürfte weiteres Wachstum schwierig werden. Auch davor warnt Facebook seine Investoren ausdrücklich: „Wir könnten beim Versuch, die Plattform zu vergrößern und zu monetarisieren, versagen“, heißt es. Und: „Die Wachstumsraten werden sich verlangsamen“. Schon heute sind 60 Prozent aller US-Amerikaner auf Facebook. In Österreich sind es 2,7 Mio. Das ist aber nicht die einzige Sorge, die das Facebook-Management mit seinen Investoren teilen muss: Auch die mobilen Angebote von Facebook bringen mangels Werbekunden derzeit kein Geld. Sollte sich der Trend zum mobilen Internet verschärfen und die 425 Millionen Nutzer, die Facebook derzeit über das Handy verwenden, nur noch unterwegs auf den Dienst zugreifen, könnte es zu Problemen kommen, warnt das Unternehmen.

Mit seinem Angebot an „stationäre“ Nutzer konnte Facebook seine Erlösquellen unterdessen diversifizieren. Nur noch 85 Prozent des Umsatzes bringen Werbeanzeigen. Vor drei Jahren waren es noch 98 Prozent. Dafür wächst die Abhängigkeit von Dritten wie dem Spieleentwickler Zynga („Farm Ville“, „Mafia Wars)“, der alleine zwölf Prozent des Umsatzes beisteuert. Sollte diese Verbindung brechen, drohen heftige Einbußen.

„Done is better than perfect“

Der größte Unsicherheitsfaktor bleiben die Nutzer selbst. Bisher hat Facebook beim Heben ihres Datenschatzes wenig Rücksicht gezeigt. Immer wieder wurden neue Dienste eingeführt – zuletzt die umstrittene Timeline, eine Art digitaler Zwangs-Lebenslauf – ohne die Nutzer einzubinden. Dass sich daran so bald nichts ändern wird, zeigt das Manifest „The Hacker Way“, das Zuckerberg dem Börsenprospekt beigelegt hat. „Done is better than perfect“, heißt es dort. Oder anders gesagt: Facebook wird auch weiter Dienste so schnell wie möglich einführen und nur wenn nötig danach zurückrudern. Ganz nach der Grundüberzeugung aller Hacker, dass nichts jemals perfekt und alles zu verbessern ist.

Dem Unternehmen Facebook könnte das allerdings zum Verhängnis werden. Dann nämlich, wenn nicht nur Datenschützer und Behörden das Netzwerk ins Visier nehmen, sondern auch Nutzer Konsequenzen ziehen und Facebook den Rücken kehren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2012)

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