Dollar-Dominanz: "Totgesagte leben länger"

Waehrungsexperte Dollar regiert
Waehrungsexperte Dollar regiert(c) Reuters (Morteza Nikoubazl)
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Währungsexperte Wolfgang Filc von der deutschen Uni Trier erklärt im DiePresse.com-Interview, warum die Vorhersage vom Niedergang des Dollar übertrieben ist.

1971 brüskierte der damalige US-Finanzminister John Connally seine Amtskollegen aus den Industrienationen: Der Dollar sei "zwar unsere Währung – aber euer Problem". Hat dieser Satz auch heute noch Gültigkeit?

Ja, sicher. 1971 begann die Endphase des Festkurssystems von Bretton Woods. Der US-Dollar war gegenüber dem Gold fixiert - eine Feinmünze gleich 35 Dollar - alle anderen Währungen gegenüber dem Dollar. Damals war der Dollar als Folge eines hohen Leistungsbilanzdefizits der USA überbewertet. Der Ratschlag der USA war es, dass alle anderen Währungen gegenüber dem Dollar aufwerten sollten. Eine einseitige Abwertung des Dollar kam nicht in Frage. Das war Dominanz. Auch heute ist der Dollar noch der Hegemon im Weltfinanzsystem. Internationale Kooperation in Währungsfragen wird in den USA nur akzeptiert, wenn sich sofort messbare Vorteile für die amerikanische Wirtschaft ergeben. Der Dollar regiert.

In 25 Jahren könnte der Dollar seinen Status als Reservewährung der Welt verloren haben. Das geht aus einer Umfrage unter Zentralbankmanagern und Staatsfondsmanager hervor. Als Grund werden die negative Entwicklung der US-Finanzen und Defizite der Leistungsbilanzen genannt. Wie sehen Sie das?

Wer heute bei den anhaltenden Turbulenzen an den Finanzmärkten eine Prognose über das Währungssystem in 25 Jahren macht, gehört auf die Couch. Alles ist möglich. Was spricht gegenwärtig gegen den Dollar? Das Staatsdefizit der USA ist höher als das der Euroländer, auch das Leistungsbilanzdefizit der USA. Das sollte den Dollar schwächen, aber das Gegenteil ist der Fall. Warum? Einmal ist der Dollar nach wie vor der Dominator der Weltfinanzmärkte. Zum anderen reagiert die Wirtschaftspolitik in den USA auf Fehlentwicklungen rascher und flexibler als in der EU. Das Leistungsbilanzdefizit der USA geht seit drei Jahren kontinuierlich zurück. Das hohe Staatsdefizit der Reagan-Administration wurde mit dem Greenspan-Clinton-Policy-Mix, durch eine aggressiv expansive Geldpolitik, Steuererhöhungen und Ausgabekürzungen in wenigen Jahren in einen Überschuss gewandelt. Das kann sich wiederholen und das stützt das Vertrauen hinsichtlich des Dollars als wichtigste Reservewährung.

Die hohen US-Staatsschulden zwingen Investoren ihre Anlagen stärker zu streuen, also auch auf andere Währungen zu verteilen. Was passiert, wenn China seine Dollar-Positionen schlagartig verkauft?

Ein Anreiz ergibt sich hierfür nur, wenn Anleger die Ertrags-Risiko-Konstellation amerikanischer Staatsschuldtitel schlechter einschätzen als alternative Anlagen. Gegenwärtig ist das nicht zu erkennen. Aber klar ist auch, dass die Finanzierung amerikanischer Defizite ebenso am Tropf Chinas hängt wie europäische Krisenländer am Tropf Deutschlands. China verfügt über Währungsreserven von mehr als zwei Billionen Dollar, angelegt in amerikanischen Staatsschuldtiteln. Ein schlagartiges Abstoßen eines Großteils dieser Dollar-Reserven würde eine weltweite Katastrophe auslösen - steil steigende Zinssätze, denen sich kein Land entziehen könnte, ein rapider Kursrutsch an den Wertpapiermärkten und ein Einbruch des Dollarkurses. Daran kann niemand interessiert sein, zuletzt China, weil sich der Wert ihrer Währungsreserven halbieren könnte.

Weltbank-Chef Robert Zoellick hat schon vor längerem ein neues Währungssystem vorgeschlagen, das auf verschiedenen Leitwährungen basieren sollte. Kann das funktionieren?

Das ist eine realistische Perspektive, wären die USA bereit, sich von ihrer Position als Finanzhegemon zu trennen. Vielfach wurde ein tripolares Währungssystem im Dreieck USA-EU-Asien mit Japan und China als Führungsmächte vorgeschlagen. An diese Währungsräume könnten sich Währungen anderer Länder in einer ihnen als geeignet erscheinenden Form ankoppeln. Das wäre eine Konstellation aus regionaler Kooperation und Globalisierung der Finanzbeziehungen, die das Finanzystem stabiler machen könnte. Aber das scheitert bislang an dem Widerstand der USA.

Könnten Renminbi oder Euro den Dollar in naher Zukunft tatsächlich als Leitwährung ablösen?

Der Renminbi ist eine lokal geltende Währung, die allein von der Zentralbank Chinas in andere Währungen getauscht werden kann. Daneben ist das chinesische Bankensystem weit entfernt von einer marktwirtschaftlichen Ordnung mit entsprechender Bankenaufsicht. Bis der Renminbi zu einer Leitwährung aufsteigen kann, wird es wohl noch viele Jahre brauchen. Der Euro hat diese Defizite nicht. Er ist bereits zweitwichtigste Reservewährung. Aber die Verwerfungen im Euro-Raum haben Unzulänglichkeiten deutlich gemacht. Eine Währungsunion wird wohl nur in einer Wirtschaftsunion bestehen können, die diese Bezeichnung auch verdient. Dazu bedarf es einer sehr viel stärkeren Kooperation der Teilnehmerländer bei der Fiskal- und Lohnpolitik. Wird das erreicht, so wird das Potenzial des Euro als zweite Leitwährung neben dem Dollar besser genutzt werden.

Die UNO hat 2010 die Rolle der US-Notenbank scharf kritisiert. Deren Politik habe weltweit zu einer massiven Ausweitung der Geldmenge geführt. Dadurch könnten neue Vermögensblasen entstehen. Wie sehen sie die Rolle der Fed?

Diese Kritik bezieht sich wohl eher auf die Hypothekenkrise in den USA 2008. Gegenwärtig wurde in vielen großen Wirtschaftsräumen der Welt die Bankenliquidität als Folge expansiver Geldpolitik sehr stark ausgeweitet, weniger die Geldmenge, also den Banknotenumlauf und Guthaben der Nicht-Banken bei Geschäftsbanken. So steigt die Geldmenge M3 in der Eurozone gerade einmal um zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Geldmenge wird erst steigen, wenn die Bankenliquidität in Kredite an Nicht-Banken transformiert wird. Dann müssen Zentralbanken rasch reagieren und Liquidität absaugen, um Preisblasen an Vermögensmärkten auszuschließen.

Immer wieder wird das Ende des Papiergelds, also auch des Dollars, prophezeit. Auch von einer Rückkehr zum Goldstandard ist zu hören. Welche Rolle spielt Gold angesichts solcher Szenarien?

Die Akzeptanz einer Währung basiert auf dem Vertrauen der Menschen. Fehlt es hieran, so werden andere Güter als Mittel zum Tausch und zur Wertaufbewahrung herangezogen - so in Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg Zigaretten, in Polen nach dem Zusammenbruch des Ostblocks Dieselöl, heute eben Betongold und Feingold. Aber immer wieder hat sich nach einer Wiederherstellung des Vertrauens in einen stabilen Geldwert Papiergeld als Standard durchgesetzt. Ich wüsste nicht warum es diesmal anders kommen sollte, vorausgesetzt die augenfälligen Bauarbeiten im Welt-Finanzsystem werden erledigt.

Der Anteil der US-Währung an den weltweiten Devisenreserven hat zuletzt wieder stark zugenommen. Die Nachfrage nach US-Staatsanleihen boomt. Ist also die Vorhersage des Niedergangs des Dollars übertrieben?

Ja, übertrieben. Totgesagte leben länger, zumal es, siehe oben, gegenwärtig kein besseres Substitut für den Dollar gibt.

Wolfgang Filc

Der Währungsexperte Wolfgang Filc ist Professor an der deutschen Universität Trier und war 1998 bis 1999 Ministerialdirektor und Leiter der Abteilung "Internationale Finanz- und Währungsbeziehungen" im deutschen Bundesministerium der Finanzen.

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