Gefahr durch Stromhändler: Zocken bis zum Blackout

Gefahr durch Stromhaendler Zocken
Gefahr durch Stromhaendler Zocken(c) AP (Martin Meissner)
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Deutsche Händler sollen Verbrauchsprognosen manipuliert haben, um hohe Kosten zu vermeiden. Das Stromnetz stand kurz vor dem Zusammenbruch.

Das deutsche Stromnetz ist in den kalten Wintertagen möglicherweise durch riskante Handelsgeschäfte von einem Zusammenbruch bedroht gewesen. Nach einem Bericht der "Berliner Zeitung" (Donnerstag) kritisiert die zuständige Bundesnetzagentur in einem Schreiben, dass es zu gefährlichen Defiziten im Stromnetz gekommen sei. Darin heiße es, das deutsche Stromnetz habe seit dem 6. Februar zu unterschiedlichen Tageszeiten "erhebliche, über mehrere Stunden andauernde Unterdeckungen verzeichnet".

Deshalb sei im Störungsfall teilweise keine Absicherung mehr verfügbar gewesen - wenn also Kraftwerke ausgefallen wären, hätte das Netz kollabieren können. "Wir werden das in alle Richtungen untersuchen", sagte ein Sprecher der Aufsichtsbehörde am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur und bestätigte den Bericht. Die Behörde sprach von einer sehr ernsten Situation.

Rechneten Händler Prognosen klein?

Es kam der Zeitung zufolge zu dramatischen Schwankungen des Strompreises. So mussten am 7. Februar laut Daten der Strombörse EEX zwischen neun und zehn Uhr 380 Euro pro Megawattstunde bezahlt werden – das siebenfache der üblichen Großhandelspreise. Der Grund: Die Händler wollten vermeiden, hohe Preise zu zahlen.

Aus Profitgier sollen Stromhändler während der extremen Kältephase Anfang des Monats massiv und illegal auf Notreserven zurückgegriffen haben anstatt reguläre Kraftwerke zu nutzen. Sie senkten offenbar systematisch die Stromverbrauchs-Prognose ihrer Kunden nach unten und lieferten weniger Strom. So wurde vermieden, den teuren Strom zuzukaufen. In der Kritik stehen die obersten Stromhändler - die sogenannten Bilanzkreisverwantwortlichen - die für Stromhändler und Industrieunternehmen Elektrizität einkaufen.

Deutschland bezog Notstrom aus Österreich

Die Folge: Weil durch eine höhere Nachfrage zu wenig Strom vorhanden war, musste über die für Notfälle als Absicherung des Systems vorgesehene Regelleistung zurückgegriffen werden, die mit Kosten von rund 100 Euro je Megawattstunde deutlich billiger ist. Diese Kosten werden den Stromhändlern im Nachhinein berechnet. Laut "Berliner Zeitung" musste wohl auch wegen der gefährlichen Unterdeckung die Kaltreserve, bestehend aus Kohle-, Gas- und Ölkraftwerken in Deutschland und Österreich, angezapft werden.

Wenn keine Regelleistung mehr vorhanden ist, gibt es kaum noch Spielräume, einen Ausfall von Kraftwerken aufzufangen. In einem Schreiben des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, heißt es: "Insbesondere im Zeitraum vom 6. bis 9. Februar wies die Systembilanz von Deutschland eine deutliche, jeweils mehrere Stunden lang anhaltende Unterdeckung auf."

Zocken mit der Versorgungssicherheit

Die Grünen-Energiepolitikerin Ingrid Nestle sagte: "Offensichtlich zocken Stromhändler mit unserer Versorgungssicherheit." Die Regierung habe es unterlassen, solche Manipulationen zu verhindern. "Solange die Bundesregierung nicht für ein permanentes Monitoring sorgt, bleibt das Tor für Marktmanipulationen weit offen. Wir brauchen eine konsequente Markt- und Netzüberwachung", forderte Nestle.

(Ag.)

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