Russland: Wie Herrscher Putin Aufträge vergibt

Russland Herrscher Putin Auftraege
Russland Herrscher Putin Auftraege(c) EPA (Anatoly Zhdanov)
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Der Staat wird vom Monopol eines einzigen Clans gelenkt. Entsprechend fließen die Aufträge vor allem an gute Freunde des Präsidenten Wladimir Putin. Diese verdienen damit prächtig.

Moskau. Arkadi Rotenberg muss es wissen. „Wladimir Putin hat genügend Bekannte – die einen studierten, die anderen arbeiteten mit ihm“, sagte Rotenberg vor einiger Zeit, „jedoch nicht alle von ihnen sind erfolgreich.“

Der Mann, der solches behauptet, hat mit Putin weder studiert noch gearbeitet. Eine Fügung aber hat dafür gesorgt, dass beide schon in den 1960er-Jahren gemeinsam in einem Petersburger Judoklub trainiert haben. Nach dem Ende der Sowjetunion gründete man einen neuen Klub. Und hat bis heute ein „freundschaftliches Verhältnis“, wie Rotenberg sagt.

Ob es vielleicht daran liegt? Oder doch am unternehmerischen Geschick? In jedem Fall ist Rotenberg unter den Freunden des russischen Premiers einer der Erfolgreichsten. Auch wenn er mit seinem Vermögen von einer geschätzten Milliarde Dollar nicht unter den Top Ten der Reichstenliste rangiert, hat er doch ein anderes Ranking gewonnen: Rotenberg ist laut dem russischem „Forbes“-Magazin der „König der Staatsaufträge“.

Kein Zweiter hat in den vergangenen Jahren unmittelbarer von Putins Staat profitiert. Allein von den größten direkten Staatsaufträgen hat Rotenberg mit seinen Baufirmen einen beträchtlichen Teil erhalten. Dazu kommen Aufträge der Staatsholdings und Staatskonzerne wie Gazprom, sodass Rotenberg seit dem Jahr 2008 insgesamt Aufträge im Wert von über 22 Mrd. Euro einheimsen konnte. Gazprom liefert er Pipelinerohre. Objekte errichtet er in der Olympiastadt Sotschi, Straßen im ganzen Land.

Ausschreibungen erstmals 2012

Die Nähe zum Staat war und ist heiß umkämpft. In Wahrheit nämlich hatte dieser weitaus mehr zu verteilen, als die Öffentlichkeit und das Magazin „Forbes“ jemals zählen konnten. Intransparenz war die Voraussetzung für dunkle Geschäfte. Erst mit 2012 ist die Veröffentlichung von Ausschreibungen vorgeschrieben.

Bisher hatte es jeder gehalten, wie er wollte. Rotenberg, der soeben gemeinsam mit der österreichischen Kapsch TrafficCom den Zuschlag zum Betrieb einer Autobahn erhalten hat, profitiert. Wiewohl: Auch er ist nicht unantastbar. Um kein Monopol kreieren zu können, muss er den Kuchen mit anderen teilen. Groß ist das Oligopol freilich nicht. „Ein bedeutender Teil der landesweiten Infrastrukturprojekte geht an fünf bis sechs Unternehmen“, erklärt das Magazin „Forbes“.

Zum Beispiel an Gennadi Timtschenko. Der 59-Jährige, der Rotenbergs Judoklub in Petersburg gesponsert hat, verdient heute zwar den Großteil seines Geldes mit dem Öltrader „Gunvor“, der im Vorjahr 80 Mrd. Dollar umgesetzt hat. Mit seinen russischen Baufirmen jedoch ist Timtschenko, der in der Schweiz lebt, auch einer der wichtigsten Empfänger von Staatsaufträgen für die Infrastruktur.

Tatsächlich ist die Bauindustrie jener Sektor, der Russland künftig beschäftigen wird. Das Land hat nicht nur sportliche Großereignisse wie die Fußballweltmeisterschaft 2018 zu stemmen. Es hat auch sein Jahrhundertproblem, das schlechter Straßen, zu beheben.

Nicht zufällig hat Putin daher das „Jahrzehnt des großen Bauens“ ausgerufen. Nur für den Straßenbau sind 500 Mrd. Euro bis zum Jahr 2020 veranschlagt. Gazprom wiederum will allein bis Ende 2013 gut 60 Mrd. Euro investieren, die Eisenbahnen allein im heurigen Jahr elf Mrd. Euro. Dass Putins Freunde sich in diesem Segment breitmachen würden, war prädestiniert. Dabei mischen sie einen kleinen Pool an Bauunternehmen auf, der sich bis 2008 etabliert hat.

Nur ein Ausländer willkommen

Die bisherigen Player: Der 44-jährige Aluminiumbaron Oleg Deripaska, der auf die Kooperation mit Strabag setzt, kürzlich aber etwa bei Straßenprojekten in Sotschi von Putins Freund aus alten Tagen, Arkadi Rotenberg, ausgetrickst worden ist.

Stark von sich reden macht der 43-jährige Zijavudin Magomedov aus der Kaukasusrepublik Dagestan, der mit einem Kreml-Berater die Schulbank gedrückt und neben Ölpipelines neulich auch die Renovierung des bekannten Moskauer Bolschoj-Theaters für mehr als 500 Mio. Euro absolviert hat. Zuletzt dockte er gar im Westen an und gewann einen Auftrag zum Bau eines neuen Ölterminals in Rotterdam.

Umgekehrt lässt Russland Ausländer nur widerwillig auf den Markt. Nur einer hat das Vertrauen der Elite derart erlangt, dass er bei Staatsaufträgen vorn mitspielt: der Jordanier Zijad Manasir, der in den 1990er-Jahren mit dem Handel von Phosphor, Waschpulver und Kühlschränken begonnen hat und über Gazprom-Bekanntschaften bald im Pipelinebau gelandet ist. Heute errichtet Manasir auf der Polarhalbinsel Jamal Russlands künftiges Gasförderzentrum, das noch 2012 als neue Tankstelle für Europa in Betrieb gehen wird.

Auf einen Blick

Arkadi Rotenberg hat in den 1960er-Jahren mit Putin in einem Judoklub in St. Petersburg trainiert. Das kommt dem Bauunternehmer nun zugute. Kein anderer hat mehr von Putins Vergabetaktik profitiert. „Forbes“ nennt Rotenberg deshalb den „König der Staatsaufträge“. [Archiv]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2012)

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