Benzinpreis: Der Frust der Amerikaner an der Tankstelle

(c) AP (David Goldman)
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Durchschnittswert kratzt an der psychologischen Vier-Dollar-Grenze pro Gallone. Für den Sommer erwarten viele Autofahrer einen Anstieg auf fünf Dollar. Schon jetzt ist der Benzinpreis ein heißes Wahlkampfthema.

Washington. Beim Start von der „Old Town“-Tankstelle in Alexandria lässt André Goolsby seinen roten Porsche, Baujahr 1986, kurz aufröhren. Mehr aus Frust denn aus Übermut, denn für eine halbe Tankfüllung hat er gerade 35 Dollar gezahlt. Das sollte an diesem Frühlingstag ausreichen für einen Ausflug ins nahe Washington, wo der Höhepunkt der Kirschblüte die Besucher derzeit magnetisch anzieht – und Staus verursacht.

Auf 4,07 Dollar pro Gallone (0,81 Euro/Liter) ist der Benzinpreis an der „Old Town“-Tankstelle bereits geklettert. Es wird nicht der Zenit bleiben. Wie viele andere befürchtet Goolsby, dass der Preis bis zum Beginn des Memorial-Day-Weekends Ende Mai, dem Beginn der Urlaubssaison, auf einen Rekord von fünf Dollar steigen könnte. „Das ist Wahnsinn“, stöhnt Goolsby. Den Porsche holt er nur an besonderen Tagen aus der Garage, ganz selten jagt er die Tachonadel trotz des strikten Tempolimits auf 190 Stundenkilometer.

Wahlkampf-Polemik

„Niedriger kann ich nicht mehr gehen“, sagt der Tankstellenpächter Abdullah al-Kaliddar, ein Emigrant aus dem Irak. In Alexandria, vis-à-vis der Hauptstadt Washington, liegt der Preis an den drei anderen Tankstellen an der North Washington Avenue um eine Spur höher – bei Shell sogar bei 4,19 Dollar. In Kalifornien hat er wegen der höheren Steuern die Vier-Dollar-Marke ohnehin längst überschritten.

Ein Benzinpreis von vier Dollar gilt als psychologische „Schmerzgrenze“ für die Amerikaner. Als er im Vorjahr die Marke übersprang, zapfte Präsident Barack Obama kurzfristig die Ölreserven an, um den Preis zu drosseln – eine Maßnahme, zu der er auch heuer wieder greifen könnte. Denn im Wahlkampf ist der Benzinpreis inzwischen zu einem heißen Thema geworden. Die Republikaner machen den Präsidenten – wie die Demokraten anno 2008 George W. Bush – für die Hausse verantwortlich. Newt Gingrich fordert einen Benzinpreis von 2,50 Dollar, für den Präsidenten ist dies eine aus der Luft gegriffene Fantasie.

Dem Energieminister Steven Chu, einem Physiknobelpreisträger, werfen die Republikaner in einer Polemik vor, die längste Zeit ohne Auto ausgekommen zu sein. Obama kreiden sie an, den Bau der Keystone-Ölpipeline von Kanada an den Golf von Mexiko aus Umweltschutzgründen storniert zu haben. „Drill, Baby, Drill“, lautete die markige Forderung Sarah Palins 2008 nach mehr Ölbohrungen in den USA. Vier Jahre später fördern die USA mehr Öl denn je. Obama begab sich jetzt auch auf eine Tour in den Westen und Mittleren Westen des Landes, um neue Energieprojekte zu propagieren.

Kathy Niehaus zuckt mit den Achseln, als die Zapfsäule an der Exxon-Tankstelle in Alexandria 66 Dollar anzeigt. Dabei hat sie ihr Buick-SUV nur zu drei Vierteln vollgetankt. Als Mutter von drei Kindern sei sie aufs Auto angewiesen. „Ich bin leider nicht so flexibel.“ Justine Stumme tankt ihren Volvo-Kombi alle zwei Wochen voll. „Ich muss Gott sei Dank wochentags nicht eine oder eineinhalb Stunden in die Arbeit pendeln wie manche Bekannte. Und mein Mann arbeitet bei der Luftwaffe – da bekommt er billigeres Benzin.“

Umsteigen in die U-Bahn

Viele Autofahrer in Alexandria seien auf öffentliche Verkehrsmittel wie die U-Bahn umgestiegen, erklärt Tankwart Ali. „Am lautesten klagen die Taxifahrer.“ Abdelaziz, ein arabischer Student aus Arkansas, lacht auf: „In Saudiarabien könnte ich für zehn Dollar eine ganze Woche kreuz und quer herumfahren.“ Für Markus Lanxinger, einen österreichischen Filmschaffenden in Los Angeles, hat der hohe Benzinpreis sogar einen positiven Effekt: „Auf den Freeways ist spürbar weniger Verkehr.“

Auf einen Blick

Benzinpreis. Der durchschnittliche Benzinpreis in den USA, derzeit bei 3,84 Dollar pro Gallone (3,8 Liter), nähert sich unaufhaltsam der „Schmerzgrenze“ von vier Dollar. In Kalifornien und den Städten der Ostküste hat er diese Marke bereits überschritten. Viele befürchten einen Anstieg auf fünf Dollar bis zum Beginn der Urlaubssaison. Längst ist er Thema im Wahlkampf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2012)

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