Banken schließen Schlupfloch des Iran in Dubai

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Die harten Sanktionen gegen den Iran zeigen Wirkung. Der Handel zwischen den Emiraten und dem Mullah-Staat bricht dramatisch ein. 25.000 Iran-Exporteure in Dubai sind davon betroffen.

Dubai. Gholam Hosseini, ein iranischer Seemann mit hellem Ringel-Shirt und braunen Pumphosen, steht untätig an der Kaimauer. In diesen Tagen hat der 43-Jährige viel Zeit. Das Geschäft zwischen Dubai und dem Iran läuft zäh. Seine blau-weiß lackierte Dhau „Noka“, eines der vielen traditionellen Handelsschiffe aus Holz, ankert am Ufer des Creeks im historischen Kern von Dubai. Die Ladefläche ist nur halb gefüllt. Neben Tee aus Indien sowie Kartoffelchips aus den Emiraten liegen Hitachi-Staubsauger und Panasonic-Kühlgeräte aus Malaysia. „Fast alle Elektronikartikel kommen über China nach Dubai“, verrät Hosseini.

Noch vor einem Jahr überquerte die Noka sechsmal pro Monat den Persischen Golf. Heute gibt es wegen schwindender Nachfrage nur eine Hin- und Rückfahrt. „Seit Dezember hat die iranische Währung auf dem Schwarzmarkt um 50 Prozent an Wert eingebüßt“, klagt Hosseini. „Die Importunternehmen im Iran müssen doppelt so viel Geld auf den Tisch legen, um die gleiche Menge an Waren zu kaufen. Etliche Firmen können das nicht und gehen pleite.“

Der Absturz des Rial ist nur der jüngste schwere Schlag für die 25.000 Iran-Exporteure in der Handelsmetropole Dubai. Zwischen 70 und 80 Prozent aller Ausfuhren der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) laufen über Dubai. Jahrelang haben die Firmen in der Stadt, in der mehr als 300.000 Exil-Iraner leben, gut verdient. Dubai ist das wirtschaftliche Schlupfloch für den Iran gewesen, über den wegen seines umstrittenen Atomprogramms internationale Sanktionen verhängt wurden. Seit die USA 2011 mit Strafmaßnahmen auf die Finanzströme des Mullah-Staats zielen, haben die Banken in den VAE den Zahlungsverkehr mit dem Iran sukzessive eingestellt. Der Druck aus Washington werde immer stärker, heißt es in Dubaier Finanzkreisen. „Zwar gibt es kein Gesetz, das Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran per se verbietet – aber niemand will durch das US-Finanzsystem blockiert werden“, sagt Mohammed Al Ansari, der Vorsitzende der gleichnamigen Wechselstubenkette. Sie gab Mitte März das Ende ihres Iran-Geschäfts bekannt.

Als letztes Kreditinstitut hat die Noor Islamic Bank in Dubai ihre Iran-Transaktionen im Dezember aufgegeben. Noor war zum Schluss die einzige Adresse, die Überweisungen aus iranischen Öleinnahmen verbuchte. Kaufte etwa eine chinesische Firma für zwei Millionen Euro iranisches Öl, wurde der Betrag auf dem Konto einer chinesischen Bank gutgeschrieben. Von dort wanderte das Geld zu Noor, die die Summe in die Währung der Emirate, den Dirham, konvertierte. Im nächsten Schritt kamen die Dubaier Filialen der iranischen Banken Saderat und Melli ins Spiel: Sie akzeptierten in Dirham ausgestellte Zahlungsversprechen, sogenannte Akkreditive, von Kreditinstituten iranischer Importeure in Teheran. Diese bestellten zum Beispiel Güter in Deutschland oder der Schweiz. Noor machte daraufhin das geparkte Ölgeld für Saderat und Melli locker, und die Ware konnte geliefert werden. Nach diesem Prinzip funktionierte Dubai als globale Finanzdrehscheibe für das Iran-Geschäft.

Trotz der seit 2006 bestehenden UNO-Sanktionen hat sich Dubai als Hintertür für den Handel mit dem Iran behauptet. 25 Prozent aller Ausfuhren Dubais gingen über den Golf. Noch im Oktober wurden nach Angaben des staatlichen Zollamts Waren über 1,2 Milliarden Dollar von den VAE in den Iran exportiert – so viel wie in kein anderes Land. „Mit den neuesten Sanktionen wird das Volumen jedoch täglich kleiner“, sagt Hamad Buamim, Chef der Industrie- und Handelskammer in Dubai.

Morteza Masoumzadeh kann ein Lied davon singen. Der 62-jährige Iraner betreibt seit 1985 die Seespedition Jumbo Line in Dubai. Von seinem Büro in der 14. Etage des Twin Towers im alten Stadtteil Deira hat er einen Panoramablick auf den Creek. „Obwohl die EU-Sanktionen erst ab dem 1. Juli greifen, haben sie den Handel bereits stark geschädigt. Wenn das ein Jahr lang anhält, werden die Ausfuhren von den VAE in den Iran um mindestens 50 Prozent einbrechen.“ Zudem erschweren neue Hürden das Geschäft. „Derzeit können iranische Firmen in den Emiraten keine neuen Konten eröffnen“, betont Masoumzadeh, der im Vorstand des „Iranian Business Council“ sitzt.

Neues Schlupfloch in Istanbul

Ganz am Boden sind die Iran-Exporte nicht, weiß John Schneider-Merck. Der 70-jährige gebürtige Hamburger, ein hochgewachsener Mann mit grauem Haar und kurz geschnittenem Schnauzer, verkauft Ersatzteile deutscher Autozulieferer wie Mahle, Burkert oder BBT. Jüngst war er in Istanbul. Dort hat er ein Konto bei einem Ableger der iranischen Bank Mellat eröffnet. Der Vorteil: Das Institut erkennt die Akkreditive iranischer Geldhäuser an. Die Papiere sind in türkischer Lira ausgestellt, unterliegen also nicht dem Währungsverfall des Rial. „Allerdings musste ich eine türkische Firma gründen“, erläutert er. Mit diesem Kniff kann er seine Einnahmen von Teheran über Istanbul nach Dubai transferieren.

Selbst das Szenario, dass die Türkei eines Tages den Riegel vorschieben könnte, schreckt Schneider-Merck nicht. „In Indien, Russland, Südkorea, Japan oder China gibt es immer noch Banken, die iranische Akkreditive annehmen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2012)

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