Equal Pay Day: Der teure kleine Unterschied

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Frauen verdienen weniger als Männer. Das ist eine Tatsache. Wie viel, das ist umstritten – so wie auch die Frage, warum das so ist. „Die Presse“ liefert Antworten zur Gehaltsschere.

Heute wird in Österreich der „Equal Pay Day“ begangen. Bis zum 5. April müssen Frauen heuer „länger arbeiten“, um so viel zu verdienen, wie Männer schon Ende des Vorjahres in ihre Taschen gewirtschaftet haben. Frauen arbeiten also sozusagen drei Monate gratis dazu. So lautet zumindest die Argumentation der Initiatoren des Tages, des internationalen Frauennetzwerks „Business and Professional Women“. Sie rechnen mit einem Gehaltsunterschied von 25,5 Prozent.

Damit steht Österreich im internationalen Vergleich schlecht da: Gemeinsam mit Tschechien teilt es sich im aktuellen „Gender Pay Gap“-Index der EU den letzten Platz – mit einem Gehaltsunterschied von 25,5 Prozent, laut der EU-Statistikbehörde Eurostat. Im Vorjahres-Ranking hat Österreich noch den vorletzten Platz geschafft.

Diese Einkommensschere gebe es gar nicht, monieren Kritiker. Oder sie sei zumindest nicht so groß. Das stimmt – und es stimmt nicht. Die Frage, um wie viel Frauen „wirklich“ weniger verdienen, ist eine Streitfrage. Und sie hat viel mit Glauben und Zweifeln zu tun. Allein die Daten bei der Statistik Austria variieren in großen Sprüngen: 40 Prozent Unterschied sind es auf den allerersten Blick – wenn man die Bruttojahreslöhne der unselbstständig Beschäftigten vergleicht. Egal, ob sie das ganze Jahr über Arbeit haben und ob sie voll- oder teilzeitbeschäftigt sind. Den eklatanten Unterschied erklärt die Teilzeitquote bei Frauen, die in Österreich 44 Prozent beträgt.

Kleinere Lücke bei Beamten

Da kommen die 25 Prozent der Realität schon näher. Dafür vergleicht Eurostat die durchschnittlichen Bruttostundenlöhne von Männern und Frauen. Damit spielt es keine Rolle, ob jemand Voll- oder Teilzeit arbeitet. Er verdient in der Stunde eben so viel, wie er verdient – egal, ob Mann oder Frau. Die Zahl gilt allerdings nur für die Privatwirtschaft. Im öffentlichen Dienst ist die Gehaltslücke kleiner. Außerdem ist der Wert immer noch unbereinigt: Er berücksichtigt weder Karenzzeiten noch, wie lange jemand schon bei einem Unternehmen beschäftigt ist, noch, wie viel Berufserfahrung jemand vorweisen kann. Und auch nicht, ob er oder sie eine leitende Funktion innehat.

„Vergleicht man die Verdienste von Frauen und Männern innerhalb der gleichen Branche, Berufsgruppe, mit dem gleichen Ausbildungsniveau und der gleichen Zugehörigkeitsdauer zum Unternehmen, sinkt der geschlechtsspezifische Lohn- und Gehaltsunterschied auf 18,1 Prozent“, heißt es vonseiten der Statistik Austria. Der Rest ist nicht zu erklären. Zumindest nicht mit harten Fakten.

Andere Wissenschaftler können mehr erklären. Das Institut für Wirtschaftsforschung zum Beispiel kommt auf einen Lohn- und Gehaltsunterschied zwischen 11,7 und 13,5 Prozent – je nachdem, ob man den öffentlichen Dienst berücksichtigt. Grundlage sind Zahlen aus dem Jahr 2007. Faktoren wie unterschiedlicher Bildungsgrad, konkreter Beruf, die Branche, die Hierarchie in der Firma und die Größe der Firmen wurden berücksichtigt – das heißt, aus dem allgemeinen „Gender Pay Gap“ herausgerechnet. Unter dem Strich bleiben in der Privatwirtschaft eben jene 13,5 Prozent übrig, die man nicht erklären kann.

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Nur die Hälfte kann erklärt werden

Davon seien circa zehn Prozent oder etwas weniger „echte Diskriminierung“, schätzt Ko-Autorin Christine Zulehner, die an der Johannes Kepler Universität forscht. Das heißt: Frauen verdienen durchschnittlich rund zehn Prozent weniger, nur weil sie Frauen sind. Gründe dafür sind männliche Chefs, die lieber Männer als Abteilungsleiter haben, genauso wie die statistische Diskriminierung. Ein Beispiel: Weil Personalchefs annehmen, dass Frauen wegen ihrer (künftigen) Kinder weniger Überstunden machen können, wird weniger in ihre Fortbildung investiert.

Und die restlichen 3,5 Prozent? Für die gibt es verschiedene Vermutungen: Etwa, dass Frauen in Gehaltsverhandlungen weniger aggressiv auftreten. Allerdings, sagt Zulehner, „wird es Frauen auch oft negativ ausgelegt, wenn sie es machen“. Wissenschaftliche Experimente zeigen außerdem, dass Frauen nicht so gern Risken eingehen wie Männer und Wettbewerb eher meiden.

Ab 2014 müssen alle Firmen mit mehr als 150 Mitarbeitern Einkommensberichte erstellen. So will die Frauenministerin den Gründen für die Gehaltsschere auf die Spur kommen. Firmen mit über 1000 Mitarbeitern müssen das schon jetzt. Das „Profil“ hat einige der zuständigen Betriebsräte dazu befragt. Fazit: Frauen und Männer erhalten für die gleiche Arbeit das gleiche Geld. Brigitte Ruprecht, Bundesfrauenvorsitzende des ÖGB, hält das für wenig aussagekräftig: Die Ergebnisse aus den knapp 200 größten Unternehmen ließen sich nicht auf alle 3000 Firmen umlegen. Frauen arbeiten zudem oft in kleineren Unternehmen – und die zahlen in der Regel schlechter als große.

Egal, welches Modell man anwendet: Mehr als die Hälfte des Gehaltsunterschiedes kann es nicht erklären, so die Statistik Austria. Es gibt ihn also. Ob man ihn „Diskriminierung“ nennt oder nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2012)

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