Solarindustrie: Abgestürzt wie Ikarus

Solarindustrie Abgestuerzt Ikarus
Solarindustrie Abgestuerzt Ikarus(c) Reuters (Tobias Schwarz)
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Die Deutschen installieren Solaranlagen wie im Rausch, aber ihre eigenen Hersteller gehen Pleite. Wie kann die Branche wieder Anschluss gewinnen?

Wien. Die Monteure reiben sich die Hände. Sie installierten in den vergangenen Wochen Solarpaneele auf Teufel komm raus. Auf Hausdächern, Scheunen und brachem Land wurde gehämmert und geschraubt, auch mit Überstunden und am Wochenende. Jetzt können sie Kassa machen. Der Grund für den Boom: Die Regierung hat mit 1.April wieder einmal die Förderungen für Solarstrom gekürzt. Wer vor dem Stichtag noch rasch seine Anlage ans Netz gebracht hat, bekommt zwei Jahrzehnte lang die alten Einspeisetarife garantiert. Das wollten sich viele nicht entgehen lassen.

Zur „Stichtagsrallye“ kam es schon öfter, zuletzt im Dezember. Die Investition bleibt hoch rentabel. Denn der Staat hechelt mit seinen Förderkürzungen der Marktdynamik hinterher: Die Preise für Solarmodule fielen im Vorjahr um 30 bis 40 Prozent. Dafür sorgen weltweite Überkapazitäten und die Chinesen, die mit billigen Zellen und Modulen den ökostromhungrigen Westen überschwemmen.

Zwei Gruppen haben da nichts zu lachen: deutsche Politiker und deutsche Produzenten. Der Regierung wächst der Erfolg ihrer Fördermaschinerie über den Kopf. Anders als in Österreich gibt es keine Deckelung der Menge.

Die Folge: Im Vorjahr wurden Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von 7500 Megawatt installiert, mehr als das Doppelte von dem, was man in Berlin für sinnvoll hält. Wenn es so weiter geht, werden die Solarstromziele für 2022 schon in drei Jahren erzielt. Umso besser, möchte man meinen. Aber die Sache hat einen Haken: Die Produktion von Strom aus Sonnenwärme ist immer noch sehr teuer. Trotz der jüngsten Einschnitte von 20 bis 30 Prozent bei der Einspeisegebühr ist die Vergütung immer noch doppelt bis dreimal so hoch wie der Preis, der an der Strombörse erzielbar ist.

Kanzlerin Angela Merkel hat dem Steuerzahler, der den Boom finanziert, versprochen, dass es bei 3,5 Cent Ökostrom-Umlage pro Kilowattstunde bleibt. Aber wenn die Mengen ungeplant explodieren, reichen die 14 Mrd. Euro, auf die sich das summiert, bald nicht mehr aus. Eine noch stärkere Kürzung der Förderungen aber wäre der Todesstoß für die verbliebenen Hersteller. Sie müssen ihre Preise an die Kürzungen anpassen. Denn selbst für Käufer, die auf deutsche Qualitätsware bestehen, muss sich die Investition rechnen.

China löst Deutschland ab

Für die lange in den Himmel gehypte Branche ist die Götterdämmerung angebrochen: Ein Unternehmen nach dem anderen geht Pleite. Den Anfang machte die Berliner Firma Solon im Dezember. Rasch darauf folgte Solar Millennium, im März Solarhybrid. In der Karwoche erwischte es den früheren Börsenstar Q-Cells. Auch Conergy und Phoenix Solar wackeln gewaltig. Nur bei Solarworld gibt man sich noch zuversichtlich, den Sturm überstehen zu können.

Der deutsche Marktanteil lag vor acht Jahren bei 60 Prozent. So viel haben heute die Chinesen, während die Deutschen auf 20 Prozent abgestürzt sind. Manche Experten erwarten, dass schon bald gar kein Solarelement mehr aus Deutschland kommen wird.

Wie konnte es dazu kommen? Die Chinesen produzieren billiger bei vergleichbarer Qualität. Sicher: Die Firmen werden vom eigenen Staat unterstützt, während die einzigartig hohe Förderung in Deutschland allen Herstellern zugute kommt. Zudem subventioniert Berlin über Hilfsgelder sogar den Aufbau der Solarindustrie in China, was zu wilder Polemik geführt hat. Aber den wahren Grund für den Niedergang muss die deutsche Solarindustrie bei sich selbst suchen: Die Produzenten fühlten sich zu sicher und haben Entwicklungen verschlafen. Ihre ausgereifte Technik kann billiger nachgebaut werden. Um wieder Anschluss an den Weltmarkt zu finden, müssten die Deutschen das tun, was ihnen bei Autos und Maschinen so gut gelingt: sich durch Innovationen einen technischen Vorsprung verschaffen.

Das dürfte vermutlich nicht mit simplen Siliziumscheiben gelingen. Teile werden zunehmend zugekauft, um von den gesunkenen Preisen zu profitieren. Komplexer und weniger beackert ist das Thema Steuerung: Module nach der Sonne richten, Strom ans Netz abgeben, im Haus verwenden oder in integrierten Medien speichern. Damit deutsche Firmen überleben, müsste ihren Ingenieuren dazu noch einiges einfallen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2012)

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