Der Selbstbetrug fliegt langsam auf

(c) REUTERS (LARRY DOWNING)
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Schulden durch neue Schulden zu bekämpfen funktioniert nicht. Irgendwann geht das Geld aus. Die Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington wird zeigen, wie nah dieser Punkt schon ist.

Wien. Wenn sich ab heute die Vertreter von 187 Staaten zur Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington treffen, werden sie eine Frage wieder nicht beantworten: Hat es einen Sinn, immer größere Rettungspakete schnüren und „Feuermauern“ zu errichten? Kann man Schulden mit immer mehr Schulden bekämpfen?

Die Antwort auf diese Frage haben sich die politischen Führer längst selbst gegeben: Ja, natürlich. Der Glaube der Politiker an die eigene Allmacht steigt seit Beginn der Finanzkrise genauso exponentiell an, wie die Schulden, die sie verursachen. Aber eine Frage wird man bald beantworten müssen: Wer kann eigentlich noch mitbasteln an der „Feuermauer“? Wer hat noch Geld oder kann noch ein bisschen mehr Schulden machen?

Es war ein Eingeständnis der sich verschärfenden Schuldenkrise, dass der IWF selbst kurz vor der Tagung seine Hoffnungen zurückgeschraubt hat. Statt 600 Mrd. Dollar würden auch 400 Mrd. für die Krisenbekämpfung reichen, hieß es. Seit Monaten tingelt IWF-Chefin Christin Lagarde um die Welt, um frisches Geld einzusammeln. Bekommen hat sie gut gemeinte Versprechen. So hat Japan 90 Mrd. Dollar zugesagt – sofern die anderen Staaten auch mitmachen. Und da liegt das Problem: Zu einer offiziellen Kapitalaufstockung des Fonds wird es bei der Frühjahrstagung kaum kommen. Die USA sind dagegen. Und der IWF ist eine Institution, die für das US-geführte Währungssystem „Bretton Woods“ 1944 gegründet wurde. Das System brach 1971 zusammen, aber der IWF blieb und mit ihm die de-facto-Sperrminorität der USA. Washington kontrolliert 16,75 Prozent der Stimmrechte. Ganze 85 Prozent wären für eine Kapitalaufstockung notwendig. Barack Obama hat schon mehrmals abgewunken. Neue Finanzhilfen für das Ausland sind in den USA unpopulär – und es ist ein Wahljahr.

Die EU-Staaten haben sich schon längst darauf geeinigt, dem IWF 200 Mrd. zuschießen zu wollen. Geld, dass dann für den Kampf gegen die europäische Schuldenkrise eingesetzt werden soll. Klingt kompliziert? Ist es auch. Anders als die offiziellen Euro-Rettungspakete innerhalb der EU soll das Geld für den IWF über „bilaterale Kreditlinien“ fließen – und zwar direkt aus den nationalen Notenbanken. So würde die Budgets der Staaten nicht zusätzlich belastet, denn das frische Geld würde buchstäblich aus dem Nichts geschaffen werden. Ein Umstand, dem vor allem die Deutsche Bundesbank wenig abgewinnen kann, denn die direkte Staatsfinanzierung durch die Notenpresse ist ein geldpolitisches Spiel mit dem Feuer. Die Bundesbank verlangt eine Zustimmung des Bundestages. Und diese liegt bisher nicht vor.

ESM als IWF-Klon

Stattdessen kommen aus Europa fast nur schlechte Nachrichten: Spanien wackelt, Portugal und Griechenland sind noch weit von einer Rückkehr an die Finanzmärkte (und damit in die Normalität) entfernt. Und der viel gepriesene „Fiskalpakt“ wird schon vor seiner Einführung gebrochen: Noch bevor die Iren am 31. Mai im einzigen europäischen Referendum über den Fiskalpakt entscheiden dürfen, hat Spanien die Nicht-Einhaltung der darin festgeschriebenen Defizitziele schon bekannt gegeben. Auch Italien hat in dieser Woche seine Nulldefizit-Pläne um zwei Jahre in die Zukunft verschoben. Und der wahlkämpfende französische Präsident Nicholas Sarkozy und sein Gegenkandidat François Hollande haben  den Pakt bereits mit Worten untergraben. Zumindest bei Hollande ist sicher, dass er ihn im Falle eines Wahlsieges gänzlich neu verhandeln will.

Dann sind da noch die BRICS. Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika stören sich daran, dass ihre ökonomische Macht sich nicht im IWF widerspiegelt. Und weil die USA aus Angst vor Machtverlust jegliche echte Reform blockieren, sehen sich die BRICS nach Alternativen um. Die Errichtung eines eigenen Fonds ist im Gespräch. Die Europäer sind schon eine Spur weiter. Der umstrittene „permanente Rettungsschirm“ ESM wird eine Art IWF-Klon für Europa sein, wo das Prinzip „ein Land eine Stimme“ erstmals in der Geschichte der EU gebrochen wird: Im ESM wird bestimmen, wer am meisten zahlt. Bis auch Deutschland das Geld ausgeht.

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