Wie Reiche Steuern vermeiden: Schatzkanzler ist „schockiert“

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Die Regierung in London will Schlupflöcher im Steuersystem schließen. Experten befürchten allerdings, dass sie dabei über das Ziel schießt.

London/Lill. Reiche zahlen in Großbritannien wenig Steuern – weil sie wissen, wie man sich vor der Steuer schützt. Das ergab eine von Schatzkanzler George Osborne in Auftrag gegebene Untersuchung der Steuerbehörde „HM Revenues and Customs“ (HMRC). Etwa zehn Prozent der Bezieher von mehr als zehn Millionen Pfund pro Jahr zahlten demnach weniger als den Mindeststeuersatz von 20 Prozent, den die meisten Briten abzuführen haben. Sechs Prozent dieser Einkommensklasse zahlen unter zehn Prozent ihrer Einkommen an Steuern, und etwa drei Viertel führen über 40 Prozent ab.

Osborne zeigte sich „schockiert“, denn die Analyse zeigt keine rechtswidrigen Machenschaften, sondern Lücken im Steuersystem. Die häufigste Strategie, Steuern zu vermeiden, ist der Analyse zufolge das Verrechnen von Unternehmensverlusten.

Macht ein Betrieb Verluste, kann der Eigentümer diese gegen sein Einkommen rechnen und so seine Steuerlast in einigen Fällen bis auf die Hälfte reduzieren. Zudem würden regelmäßig Unternehmenskredite gegen die Steuerlast gestellt.

Ein weiterer, häufig angewandter Weg sei die Absetzung von Ausgaben durch Spenden. Schatzkanzler Osborne sucht nun nach Wegen, damit Einkommensmillionäre, von denen es in Großbritannien rund 13.000 gibt, zumindest ein Drittel ihrer Einnahmen an den Fiskus abführen. Ab nächstem Jahr werden etwa Steuerentlastungen auf maximal 25 Prozent des Einkommens oder 50.000 Pfund beschränkt, je nach dem, welcher Wert höher ist.

Nick Clegg, Vizepremierminister und Vorsitzender des Koalitionspartners Liberal Democrats, fordert eine „Tycoon Tax“ für Reiche: Ab einem bestimmten Einkommen soll eine feste Abgabe bezahlt werden.

Die Politik der Regierung stößt auf mannigfache Kritik, etwa das Vorhaben, die Absetzbarkeit von Spenden einzuschränken. Der Film- und Theaterregisseur Nicholas Hytner kritisierte, dass zahlreiche Institutionen, die auf private Gelder angewiesen seien, in Not geraten könnten, wenn Spenden nicht mehr absetzbar sind. Verschiedene Steuerberater erwarten nun eine Welle von Spenden, solange diese noch steuerlich absetzbar sind. Im kommenden Jahr könnten diese dann stark abnehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2012)

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