Argentinien: US-Multis als Profiteure des Repsol-Rauswurfs?

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Am kommenden Mittwoch soll die Verstaatlichung des Ölkonzerns YPF besiegelt werden. Dann könnten US-Ölmultis einsteigen.

Buenos aires. Sie hat es ihrem Néstor mitgebracht. Das Gesetz, das den Erdölkonzern YPF heimholen soll unter die Schwingen des Staates. Argentiniens Präsidentin Cristina Kirchner hat die Vorlage, die am 2. Mai vom Kongress beschlossen werden soll, in eine Nationalflagge eingewickelt und das Paket in dem Mausoleum abgelegt, in dem ihr Gatte und Amtsvorgänger seine letzte Ruhe findet. „Wir legen dort viele Dinge hin, auch jene von denen er träumte und für die er sein Leben gab.“

Seit Néstors Tod trägt sie Trauer, die Witwenrolle kommt gut an. Ebenso die der nationalen Retterin: Je nach Couleur ermitteln die Umfrageinstitute zwischen 60 und 75Prozent Zustimmung für die Verstaatlichung von 51 Prozent des größten Konzerns Argentiniens. Dass Néstor und Cristina Kirchner 1993 zu den eifrigsten Verfechtern der Privatisierung von YPF zählten, schadet der Präsidentin ebenso wenig wie die Tatsache, dass ihre Regierung es dem Repsol-Konzern ermöglichte, jahrelang 90 Prozent der Gewinne als Dividenden auszuzahlen. Nur die notorischen Nörgler weisen darauf hin, dass die Kommandoaktion gegen den spanischen Repsol-Konzern krass gegen die in der argentinischen Verfassung festgelegten Verstaatlichungsregeln verstößt. Im Artikel17 des argentinischen Grundgesetzes steht: „Eine Enteignung im öffentlichen Interesse muss durch ein Gesetz eingeleitet werden und ist im Vorfeld zu entschädigen.“

Das ist unterblieben – und nun versuchen die Männer hinter Frau Kirchner alles Mögliche, um den Preis zu drücken, den das Land für die Erdölfirma entrichten soll. Während Repsol-CEO Antonio Brufau zehn Milliarden Dollar fordert, kalkuliert die Regierung nicht mehr als ein Fünftel davon: Die Tageszeitung „La Nación“ berichtet gar, dass der 40-jährige Vize-Wirtschaftsminister und YPF-Zwangsverwalter Axel Kicillof die Präsidentin davon überzeugt habe, nicht mehr als einen symbolischen Peso zu bieten.

Repsol hat reagiert

Die systematische Entwertung des Unternehmens hatte schon im Jänner begonnen, als Spekulationen gestreut und Fördergenehmigungen sukzessive gestrichen wurden, was den Börsenwert von YPF um 40 Prozent senkte, noch ehe die Präsidentin zugriff. Während die Börsenwerte der Gesellschaft weiter abstürzten, gab Kicillof einen goldenen Fund bekannt: Vor staunenden Senatoren präsentierte er einen Schuldenberg von neun Mrd. Dollar. Diese Summe habe Repsol fälschlicherweise in den Bilanzen als Investitionen ausgewiesen. „Wer glaubt, dass der Staat dämlich ist, ist selbst deppert“, ätzte Kicillof. Auffällig ist zudem, dass viele Gerichte eine bislang unbekannte Aktivität entfalten, um Umweltvergehen der Ölfirma zu judizieren. Jahrelang schubladisierte Ermittlungen werden mit neu erwachtem Eifer aufgenommen. Allein Kirchners Heimatprovinz Santa Cruz verlangt von YPF 1,3 Milliarden Dollar Schadenersatz.

Repsol hat reagiert. In Madrid stellte der Konzern ein Team aus Topanwälten mit 24-Stunden-Bereitschaft zusammen, man will sich nicht durch kurzfristig angesetzte Prozesse überrumpeln lassen. Mit großen Anzeigen in den wichtigsten argentinischen Blättern versucht der Konzern, die ständig wiederholte Behauptung der Regierung zu konterkarieren, man habe YPF ausgeplündert, ohne zu investieren. Und Repsol drohte an, alle Konzerne zu verklagen, die nun in YPF investieren sollten.

Das scheint in der Energiebranche keinen sonderlichen Eindruck hinterlassen zu haben, jedenfalls führt der Infrastrukturminister Julio de Vido seit voriger Woche dauernde Gespräche mit Ölmultis. De Vido, dessen Politik während der vergangenen neun Jahre Argentinien vom Energieexporteur zum Energieimporteur machte, hat trotz des rabiaten Rauswurfs von Repsol ein gutes Argument: Vaca muerta – tote Kuh – heißt das gigantische Schieferölvorkommen, das 23 Mrd. Barrel Öl bergen soll – Argentiniens Energieverbrauch von 40 Jahren. Weil für dieses Unterfangen künftig 20 Milliarden Dollar jährlich investiert werden müssen, braucht das chronisch klamme Argentinien aber neue Partner.

Petrobras, Total, ExxonMobil, Conoco Philips und Chevron sprachen bereits bei de Vido vor. Auffällig ist, dass bislang keiner der chinesischen Ölriesen vorgelassen wurde. Am 14. April traf Cristina Kirchner Barack Obama anlässlich des Amerika-Gipfels zu einem einstündigen Privatissimum. Es folgte eine sehr verhaltene US-Reaktion auf die Verstaatlichung von YPF. Nach ihrem Zugriff lancierte die Regierung Kirchner die Nachricht, Repsol sei kurz davor gestanden, YPF an den chinesischen Riesen Sinopec zu verkaufen. Obama, der wie sein Vorgänger Bush den chinesischen Vormarsch in seinem Hinterhof verschlafen hat, nutzte offenbar das Treffen in Cartagena, um für Exxon und Co. zu werben – und die Chinesen möglichst von „Vaca muerta“ fernzuhalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2012)

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