Aus drei mach eins: Berlin hebt neu ab

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Im Juni startet Europas modernster Airport – nach Testläufen mit 10.000 Komparsen. Zehn Jahre dauerten die Planungen. 370 Menschen wurden umgesiedelt, plus Lurche und Fledermäuse.

Berlin. In der monumentalen Abflughalle aus Stahl und Glas türmen sich die Koffer. In verblichenen Farben, schäbig und abgewetzt, wirken sie auf dem „modernsten Flughafen Europas“ wie Strandgut von weit her. Dabei spielen die 15.000 Gepäckstücke eine Hauptrolle in der Testphase für den neuen Flughafen Berlin Brandenburg (BER), der am 3.Juni in Betrieb gehen soll. Sie sind mit Bauschutt gefüllt, um die Förderanlage richtig auf die Probe zu stellen. Anders als in Heathrow, wo die Eröffnung des „Terminal 5“ vor vier Jahren zum Chaos führte – vor allem, weil das Gepäckannahmesystem zusammenbrach. Auch dort hatte man getestet, aber mit leeren Koffern.

Solche Fehler fürchten die Berliner Planer wie der Teufel das Weihwasser. Immerhin hat es eine Verlegung des Flugbetriebs von zwei Airports – Tegel und Schönefeld – auf einen neuen dritten in nur einer Nacht noch nicht gegeben. Deshalb wird auch intensiv getestet: ein halbes Jahr lang, mit 10.000 Komparsen, die auf der Baustelle Fluggäste spielen dürfen. Jeder bekommt seine kleine Rolle. Unbegleitete Kinder tauchen auf, Rollstuhlfahrer und verwaiste Koffer, sogar eine Geiselnahme wird simuliert. Wie im echten Leben eben, das hier bald beginnen soll.

Zehn Jahre dauerten die Planungen. 370 Menschen wurden umgesiedelt, plus Lurche und Fledermäuse. Prozesse wurden ausgefochten und protestierende Anrainer mit Schallschutzfenstern ruhiggestellt. Die Bauarbeiten gingen ab Herbst 2006 zügig voran. Nur sechs Monate Verzug sind zu beklagen. Die Kostenplanung – 2,5 Mrd. Euro ohne Bahnhof und Autobahnanbindung – wird ziemlich genau eingehalten, was Skylink-geplagte Österreicher überraschen mag.

Berliner Flughafenflickwerk

Die Zeitgeschichte hatte in Berlin ein Flickwerk hinterlassen: drei Flughäfen, davon zwei im dicht besiedelten Gebiet. Dabei hat sich der Flugverkehr über der Stadt in den letzten zehn Jahren verdoppelt, von zwölf auf 24 Mio. Passagiere. Also raus an den Stadtrand, 20 Kilometer vom Zentrum entfernt. Die Nachkriegsluftbrücke Tempelhof schloss 2008 als Erstes ihre Pforten. Nun wird es auch um Tegel still. Auf dem Ex-DDR-Flughafen Schönefeld, zuletzt die Heimstätte der Billigflieger, werden nur noch Staatsgäste abgefertigt. Er grenzt aber an das Gelände des BER, seine Start- und Landebahn wurde leicht verlängert übernommen. Mit einer neuen zweiten Bahn muss das reichen.

Überhaupt rühmen sich die Planer, die Anlage relativ kompakt und übersichtlich gehalten zu haben: Es gibt nur einen Terminal und eine Sicherheitskontrolle. Womöglich ist der Check-in-Bereich sogar zu klein geraten: Weil die Tests zeigten, dass es zu Engpässen kommen kann, wird ein „Notfallabfertigungsbereich“ eingebaut. Aber der BER soll sich eben von Anfang an rechnen, nicht wie der viel zu groß geratene Mailänder Airport Malpensa. Dabei erwarten die Betreiber Wachstum. Schon heuer wird es 40 zusätzliche Flüge geben, 30 davon von der Lufthansa. Auf bis zu 40 Mio. Passagiere könnte erweitert werden, durch zwei Terminalsatelliten – die Pläne liegen in der Schublade.

Mittelfristig soll Berlin somit von Platz 13 unter die Top Ten der europäischen Flughäfen. In Deutschland wird er hinter den Drehkreuzen Frankfurt und München bleiben. Freilich träumen auch die Berliner von einem „Hub“ in Richtung Osteuropa. So könnte Wien Konkurrenz entstehen. Doch da müsste auch die Lufthansa mitspielen. Und deren Sprecher winkt ab: Wien und die AUA behalten ihre Rolle als Lufthansa-Tor in den Osten. Es bleibt ja alles in der Familie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2012)

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