Hoher Ölpreis belastet Österreichs Bilanz

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Trotz steigender Exporte ließen die hohen Rohstoffpreise das Defizit im Güterhandel anschwellen. Die Dienstleister drehten die Leistungsbilanz ins Plus. Dafür war nicht primär der Tourismus verantwortlich.

Wien/B.l. Österreich exportiert mehr an Gütern und Dienstleistungen, als es importiert. Das war auch im Vorjahr so, doch ist der Überschuss gegenüber 2010 deutlich geschrumpft, nämlich von 8,6 Mrd. Euro auf 5,9 Mrd. Euro, wie die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) am Freitag bekannt gab. Hauptursache für den Rückgang sind die hohen Energiepreise, die die Importe von Gütern verteuerten.

Seit zehn Jahren verzeichnet Österreich kontinuierlich ein Plus in der Leistungsbilanz. Im Vorjahr belief sich dieses auf 1,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und lag damit innerhalb der von der EU-Kommission vorgegebenen Stabilitätsgrenze: Für die EU ist eine Leistungsbilanz dann ausgeglichen, wenn sie zwischen minus vier und plus sechs Prozent des BIP liegt. „Das Plus bedeutet, dass wir keine strukturellen Finanzierungen aus dem Ausland benötigen“, sagte OeNB-Direktor Andreas Ittner. „Hätten wir ein Defizit, bräuchten wir Zuflüsse von woanders her.“

Bei Ländern, die unter chronischen Leistungsbilanzdefiziten leiden, wächst die Schuldenlast gegenüber dem Ausland kontinuierlich an. Die höchsten Defizite innerhalb der Eurozone haben Zypern und Griechenland (minus zehn Prozent des BIP), gefolgt von Portugal (minus sieben), Italien, Spanien und Malta (je minus drei Prozent). Im Plus lagen im Vorjahr nur fünf Länder der Eurozone: die Niederlande, Luxemburg, Deutschland, Estland– und Österreich.

Sonstige Dienstleister schlagen Tourismus

Österreich hat zwar traditionell eine negative Handelsbilanz, führt also mehr Güter ein, als es exportiert. Dafür ist die Dienstleistungsbilanz positiv. Lange Zeit war die Hauptursache dafür der Tourismus: Die Einnahmen durch Touristen gelten als Dienstleistungsexporte. Doch auch sonstige Dienstleistungen wie Transport- oder technologische Leistungen werden zunehmend zum Exportschlager. Im Vorjahr trugen die übrigen Dienstleistungen mit netto 7,3 Mrd. Euro stärker zur positiven Leistungsbilanz bei als der Reiseverkehr (netto 6,7 Mrd. Euro). Vor allem die EDV-Branche hatte ein deutliches Plus der Auslandsumsätze zu verzeichnen. In Summe kletterten die Dienstleistungsexporte im Vorjahr von 41,1 auf 44,4 Mrd. Euro. Die Importe stiegen schwächer, nämlich von 28 auf 30,4 Mrd. Euro. Der Überschuss verbesserte sich damit um fast eine Milliarde auf 14 Mrd. Euro.

Doch das Defizit im Güterhandel hat sich im gleichen Zeitraum von 3,2 auf sieben Mrd. Euro mehr als verdoppelt. Zwar ist das Exportvolumen kräftig angewachsen– hatte Österreich im Jahr 2010 Waren im Wert von 111,5 Mrd. Euro ausgeführt, betrug das Volumen im Vorjahr 124,8 Mrd. Euro. Das Volumen der Einfuhren ist aber noch stärker gestiegen, und zwar von 114,7 auf 131,8 Mrd. Euro. Ursache waren die höheren Rohstoffpreise, die die importierten Produkte (vor allem Energie) verteuerten.

Hauptabnehmer der österreichischen Güter und Dienstleistungen sind die Deutschen mit 33,6 Prozent. Umgekehrt bezieht Österreich 36,4 Prozent seiner importierten Güter und Dienstleistungen aus Deutschland. Die Außenhandelsbilanz mit dem größten Nachbarland ist negativ. Die folgenden Ränge unter den Abnehmern österreichischer Produkte belegen Italien, die Schweiz, die USA und Frankreich. Importiert wird am zweithäufigsten aus Italien, gefolgt von der Schweiz, China und der Tschechischen Republik.

Der Reiseverkehr spülte im Vorjahr netto 6,7 Mrd. Euro nach Österreich. Ausländische Touristen geben in Österreich mit fast 15 Mrd. Euro etwa doppelt so viel aus wie Österreicher im Ausland. Die wichtigsten Herkunftsländer sind seit Langem Deutschland und die Niederlande. Im Vorjahr hat sich die Schweiz auf Platz drei vorgearbeitet, die Ursache sehen die OeNB-Experten im starken Franken.

Urlaub: Russen überholen Amerikaner

Österreicher verbringen ihren Urlaub seltener in diesen Ländern als umgekehrt: Einen sehr hohen Überschuss in der Reiseverkehrsbilanz (das Verhältnis beträgt mehr als drei zu eins) verzeichnet Österreich mit Deutschland, der Schweiz, den Niederlanden, Belgien, Polen, Japan oder Russland: Die Ankünfte aus Russland haben jene aus den USA übertroffen. Dagegen sind Spanien, Portugal, Kroatien, Griechenland und die Türkei mehr als drei Mal so attraktiv für österreichische Touristen wie umgekehrt.

Positiv zur Handelsbilanz beigetragen hat darüber hinaus die Einkommensbilanz (853 Mio. Euro), während um zwei Mrd. Euro mehr Geld ins Ausland transferiert wurde als umgekehrt.

Grafik: Die Presse

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2012)

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